Weirichs Klare Kante
Kopf an Kopf
Nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten sind kurzlebig. Peer Steinbrück und Jürgen Rüttgers wurden nach wenigen Jahren abgewählt, Hannelore Kraft brachte es auch nur auf eineinhalb Wahlperioden, Wolfgang Clement und Armin Laschet zog es vorzeitig in die Bundespolitik. Nicht ausgeschlossen, dass der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst nach der Landtagswahl am kommenden Sonntag schon nach einem halben Jahr sein Amt wieder aufgeben muss und damit einen Rekord aufstellt, was die Kürze der Amtszeit betrifft. Dabei ist der Christdemokrat beliebter als sein sozialdemokratischer Herausforderer Thomas Kutschaty, auch seine Kompetenzwerte liegen höher.
Vertraut man den Umfragen, so liefern sich die Kontrahenten der beiden großen Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Werten um die 30 Prozent. Die derzeitige schwarz-gelbe Regierung ist weit von einer Mehrheit entfernt, die Grünen sind doppelt so stark wie die Liberalen. Es könnte also auf eine Ampel-Koalition nach Berliner Vorbild, ein Jamaika-Bündnis oder sogar auf eine knappe rot-grüne Verbindung hinauslaufen.-
Eine Große Koalition ist an Rhein und Ruhr nicht denkbar. Machtpolitisch sind dort die Felle klar verteilt. Die SPD beherrscht nach wie vor ihre Herzkammer, das Ruhrgebiet, die CDU hat im Münsterland und auch im Sauerland die Nase vorne.
Eigentlich müsste die Partei mit den meisten Stimmen bei den Verhandlungen für eine Regierungskoalition favorisiert sein, doch stehen die Grünen in Treue fest zur SPD. Als Argument für eine Neuauflage der Ampel, diesmal in Düsseldorf, könnten die Stimmen im Bundesrat für das Berliner Bündnis ins Feld geführt werden. Im Wahlkampf spielten die Bildungspolitik und der Wohnungsbau eine besondere Rolle, ein Plus für die Union war die innere Sicherheit, ein Minus der erzwungene Rücktritt von Umweltministerin Heinen-Esser, die mitten in der Flutkatastrophe ihren Geburtstag auf Mallorca feierte.
Die Entscheidung am Sonntag ist ein wichtiger Stimmungstest, für die Ampel ebenso wie den neuen Oppositionsführer Friedrich Merz. Die Bürger des Landes sehen Veränderungen eher gelassen. Wie heißt doch das rheinische Grundgesetz: “Et kütt wie et kütt“
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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