Weirichs Klare Kante
Weltmeister im Verdrängen
Von Winston Churchill stammt eine herrliche Metapher zum Verdrängen. „Ein leidenschaftlicher Raucher, der immer von der Gefahr des Rauchens für die Gesundheit liest, hört in den meisten Fällen auf, zu lesen“ sagte der britische Kriegspremier. Dies trifft exakt auf uns Deutsche bei der Gewährleistung der unteilbaren inneren und äußeren Sicherheit zu. Wir sind Weltmeister im Verdrängen.
Keine vorrätigen Atemschutzmasken in der Pandemie, Defizite bei der Beschaffung von Sanitätsmasken, ausbleibendes Sirenengeheul bei Hochwasserkatastrophen – zumeist beschäftigen sich später erst Parlamentarische Untersuchungsausschüsse mit schweren Mängeln. Katastrophen sind nicht eingeplant. Heldentaten wie die von Helmut Schmidt in der Hamburger Flutkatastrophe 1962 bleiben eine Erzählung in den Geschichtsbüchern.
Werden jetzt als Reaktion auf den Ukraine-Krieg in einem Sondervermögen hundert Milliarden Euro für die nur noch bedingt abwehrbereite Bundeswehr ausgegeben, bleiben konkrete Ankündigungen für eine massive Aufrüstung der zivilen Verteidigung bisher aus. Das mit 240 Millionen Euro ausgestattete Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe kann immerhin wohl jetzt ein Warnsystem zur Verschickung von Textnachrichten über Mobilfunk einführen. Die bundesweiten „Warntage“ dokumentieren jedes Jahr, wie schlecht es bei uns um den Bevölkerungsschutz bestellt ist. So zeigte sich bei den Übungen, dass die digitalen und analogen Warnsyteme nicht aufeinander abgestimmt sind.
Um den Zivilschutz wettbewerbsfähig mit den skandinavischen Ländern oder der Schweiz zu machen, wo jeder Bürger seinen Bunker im Falle einer chemischen, biologischen oder radiologischen Gefahr kennt, müssten viele Milliarden Euro investiert werden. Alleine die bundesweite Einsatzbereitschaft der Sirenen kostet über eine Milliarde Euro.
Dringende Zivilschutzaufgaben sind aber auch eine „Nationale Reserve Notstrom“ bei hybriden Angriffen auf die Stromversorgung und flächendeckenden Ausfällen von Energie und Notkonzepte für die Trinkwasserversorgung. Leider fällt das immer erst dann auf, wenn Not am Mann (und an der Frau) ist. Um die zivile Verteidigung zu finanzieren und die Verschuldung nicht ins Uferlose treiben zu lassen, muss sich die Ampel-Koalition viele ihrer Fortschritts-Projekte abschminken, was nicht zwangsläufig schlecht wäre.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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