Weirichs Klare Kante
Farbenwechsel

Landtagswahlen hatten schon immer ihre eigenen Gesetzlichkeiten. Zumeist bekommt die Regierung im Bund einen Dämpfer, liebt das Publikum im föderalen Deutschland doch die Balance, den Machtausgleich. Beispiel: Als der „ewige Kanzler“ Helmut Kohl 1998 abgewählt wurde, gelang Roland Koch kurz darauf im Gegenzug beim ersten Test der Durchmarsch in die hessische Staatskanzlei.
In Kriegen oder anderen schweren Krisen, hingegen, setzt die Wählerschaft in der Regel auf die Regierenden; sie versprechen Stabilität in einer unruhigen Welt. Gerhard Schröder setzte sich 2002 hauchdünn gegen Edmund Stoiber als Krisenkanzler im Kampf gegen das Elbe-Hochwasser durch, auch von seinem strikten Nein zum Irak-Krieg profitierte er.
Zudem waren landespolitische Entscheidungen häufig Persönlichkeitswahlen, wie etwa in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz , Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern. Wo es keine Wechselstimmung gibt, da fällt der Amtsbonus besonders ins Gewicht.
Wenn nicht alles täuscht, dann werden alte Gesetzlichkeiten am kommenden Sonntag bei der Landtagswahl im Saarland, dem mit knapp einer Million Einwohnern zweitkleinsten Bundesland nach Bremen, außer Kraft gesetzt. Umfragen sehen die mitregierende SPD mit ihrer stellvertretenden Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, weit vor der CDU und ihrem jungen Ministerpräsidenten Tobias Hans.
Die als handfeste Macherin auftretende Ministerin, in ihrer Jugend als Kugelstoßerin und Diskuswerferin aktiv, ist weit populärer als der mit einem „Amts-Malus“ ausgestattete, blass gebliebene Hans. Rehlinger hält sich die Option einer Ampel-Koalition nach Berliner Vorbild offen, der Einzug der schwer zerstrittenen Grünen und Liberalen in den Landtag ist aber unsicher. Hans setzt auf die Fortsetzung der Großen Koalition, kann aber wohl einen Farbenwechsel in der Staatskanzlei nicht verhindern.
Ein unfreiwilliges Geschenk hat der einstige Spitzengenosse Oskar Lafontaine seiner Saar-SPD mit seinem Austritt aus der Linken gemacht. Die Partei, die zu ihren besten Zeiten über 20 Prozent holte, droht aus dem Landesparlament zu verschwinden. Viele ihrer Wähler kehren zur SPD zurück.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
Schreibe einen Kommentar