Weirichs Klare Kante
April, April
Zweimal ertönten in diesen Tagen „April, April-Rufe“, weil sich das politische Spitzenpersonal vergaloppiert hatte und sein problematisches Rechtsverständnis im Nachhinein klarzustellen versuchte. Zu den Straßenblockaden in Berlin durch „Klimaschützer“, die das Verstellen von Rettungswegen wie auch Auffahrunfälle bewusst in Kauf nahmen, fiel Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen zunächst nur der Hinweis auf die Rechtmäßigkeit von zivilem Ungehorsam ein – assistiert von ihrer Parteichefin Lang und grünen Funktionären in der Hauptstadt.
Erst nach einer Attacke ihres freidemokratischen Kabinettskollegen Buschmann, der gewaltsamen Protest „unabhängig von der Weltanschauung“ antidemokratisch nannte, wartete die Ministerin mit dem Einschub auf, Personen dürften bei solchen Demonstrationen natürlich keinen Schaden nehmen.
Ziviler Ungehorsam, welch eine semantische Verirrung. Dieser Begriff steht für die aktive, gewaltlose Weigerung, das Diktat von Regierungen zu akzeptieren. Die Dame Lemke aber gehört der Bundesregierung an, und ihr Amtseid verpflichtet sie, Recht und Gesetz zu beachten.
Die Grünen sollten in ihrem mitunter religiöse Züge tragenden Kampf gegen den Klimawandel begreifen, dass der Zweck keinesfalls die Mittel heiligt. Die Berufung der US-Amerikanerin und Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan, die nun im Schnellverfahren deutsche Staatssekretärin im Außenamt werden soll, muss mit einem Verlangen der absoluten Rechtstreue verbunden werden. Denn immerhin hatte die „Neuerwerbung“ in der Vergangenheit gegen Rechtsbrüche ihrer Organisation nichts einzuwenden.
Mit einem eher verhaltenen „April, April“ versucht auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, zurückzurudern. Mit seiner Weigerung, die von Bundestag und Bundesrat (also auch mit seiner Zustimmung) beschlossene Impfpflicht in Kliniken und Pflegeheimen durchzusetzen, offenbarte er ein gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat. Vom Verfassungsgericht erhielt er einen Dämpfer, ein Eilantrag auf Aussetzung wurde abgelehnt.
Viel spricht zwar dafür, dass die Entscheidung zweier Verfassungsorgane wenig durchdacht war und im grauen Alltag viele Probleme mit sich bringt. Kluge Politik heißt aber, dies rechtzeitig zu erkennen, auf gesetzgeberische Schnellschüsse zu verzichten und das Recht zu beachten.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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