„Meine Zukunft“

Autor Dieter Weirich

Mindestens so besorgniserregend wie die Erderwärmung und deren schlimme ökologischen und wirtschaftlichen Folgen ist der demografische Wandel, die Alterung der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Während aber der Kampf gegen den Klimawandel mit allen erdenklichen Mitteln, mit einem Milliardenaufwand geführt wird, verdrängt man das Problem des nicht mehr funktionsfähigen Generationenvertrages.

Bei der Betrachtung dieser beiden zentralen Herausforderungen der deutschen Politik gibt es einen wesentlichen Unterschied. Während man hierzulande beim Klimawandel allenfalls die Rolle des Klassenbesten anstreben kann, selbst dabei freilich auch auf die Leistungen der internationalen Gemeinschaft angewiesen ist, könnte die Frage der Altersvorsorge mit einer großen, eigenen, nationalen Kraftanstrengung gelöst werden.

„Kinder bekommen die Leute immer“, dachte (und sagte) der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, als er mit seiner Union 1957 die dynamische Rente einführte. Niedrige Geburtenraten, immer älter werdende Menschen aufgrund des medizinischen Fortschrittes haben aber zu nur noch schwer zu korrigierenden Unverhältnismäßigkeiten im System geführt.

Seit Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist jede Generation der Deutschen ein Drittel kleiner als die Elterngeneration. 2030 stehen 100 Beschäftigten rund 50 Rentner gegenüber.

Schon jetzt ist das System überfordert, ist auf einen jährlichen Zuschuss von über hundert Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt angewiesen. Ab 2025 sind die „Babyboomer“ aus den Geburtsjahren der „60-er“ im Anmarsch, was für die Rentenversicherung noch dramatisch weiter steigende Ausgaben und sinkende Einnahmen bedeutet.

Es gibt für eine Rentenreform drei Stellschrauben: Mindestniveau, Beitragssatz und Renteneintrittsalter. An allen dreien aber will die Berliner „Ampel“ nicht drehen, was eine Sünde gegen vernünftige Zukunftssicherung ist. Ein „stabiles Rentenniveau sei die beste Versicherung gegen Trump“, tönte der Kanzler vor der Wahl. Dass die SPD bei den älteren Wählern zur stärksten Partei geworden ist, befeuert solches Betonkopf-Denken.

Bei der Rente ist es wie beim Klima. Je länger man die Reformen hinausschiebt, desto teurer wird es am Ende werden. Beim Klima ist die Jugend erfreulicherweise wach geworden. Erste Ergebnisse aus Jugendstudien zeigen, dass auch das Bewusstsein für aktuelle politische Versäumnisse in der Altersvorsorge wächst. Viele begreifen: „Es geht um meine Zukunft“.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

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