9. November – Deutscher Schicksalstag

Dieter Weirich

 Der 9. November ist kein gewöhnliches Datum, sondern ein deutscher Schicksalstag, der wie kein anderer die Abgründe, aber auch die Hoffnungen weckenden Wandlungen in der deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts aufzeigt. Vor genau hundert Jahren scheiterte der dilettantische Putschversuch des nationalsozialistischen Revolutionärs Adolf Hitler. Im Feuer der Polizei endete der geplante Marsch zur Machtergreifung an der Münchner Feldherrnhalle. Am Vorabend hatten damals Hitler und seine Schergen zum Kampf gegen die „jüdisch-marxistische Brut“ aufgerufen und die bayerische und auch die Reichsregierung für abgesetzt erklärt.

Die NSDAP wurde danach reichsweit verboten, Hitler zu einer vergleichsweise bescheidenen Strafe von fünf Jahren Festungshaft in einem Hochverratsprozess verurteilt. Seine verbrecherische Mission für Deutschland und die Welt hielt er in der ideologischen Schrift „Mein Kampf“ fest. Bis zur Machtübernahme 1933 versuchte die nationalsozialistische Propaganda den Putsch als freiheitlichen Kampf zu heroisieren.

Mit dem niedergeschlagenen Aufstand war der Nazi-Spuk freilich nicht vorbei. Die Ruhrkrise und die Hyperinflation begünstigten den anschließenden Aufstieg von Hitlers Partei. Es war dann der 9.November 1938, an den sich noch viele spätere Generationen als Tag der deutschen Scham zu erinnern haben. In der Nacht vom 9. auf 10. November brannten die Synagogen und andere jüdische Einrichtungen. Es war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte.

Gleich zweimal wurde an einem anderen 9. November, nämlich 1918, nach dem Ersten Weltkrieg und der Abdankung des Kaisers die Republik Deutschland ausgerufen. Der MSPD-Politiker Philipp Scheidemann proklamierte vom Reichstag aus die parlamentarisch-demokratische Republik mit einer liberalen Verfassung, die wenig später von Karl Liebknecht am Berliner Schloss verkündete sozialistische Revolution fand keinen Nachhall. Damit war die Weimarer Republik geboren.

Der 9. November 1989 steht aber auch für ein freudiges Ereignis in der deutschen Geschichte, nämlich für das Ende der deutschen Teilung und den Erfolg der friedlichen Revolution. 28 Jahre lang hatte eine unmenschliche Mauer unser Land geteilt. Mit der Wiedervereinigung wuchs zusammen, was zusammengehört, um Willy Brandt zu zitieren.

 Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

           

        

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