„Einheits-Schnecke“

Dieter Weirich

Zum 33.Jahrestag der Wiedervereinigung am 3.Oktober wird die Schnecke zum Wappentier des vielbeschworenen „Deutschlandtempos“. 2007 hatte der Deutsche Bundestag den Bau eines Freiheits- und Einheitsdenkmals beschlossen, einer vom Volk zu bewegenden Wippe. Vor zehn Jahren sollte diese vor dem Stadtschloss stehende begehbare Schale, auf der Hunderte von Menschen Platz   haben sollen, fertiggestellt sein und eingeweiht werden. Dieser Termin verzögerte sich aber immer wieder wegen Bedenken von Denkmal- und Tierschützern. Wilde Fledermäuse störten die Erinnerungskultur.

Nach mehreren Fehlversuchen sollte nun am diesjährigen nationalen Feiertag die Einheits-Wippe vor dem Humboldt-Forum eröffnet werden. Doch nun musste die grüne Kultur-Beauftragte Claudia Roth einräumen, es werde wieder nichts mit der Einweihung. Die Rede ist nun vom Herbst des kommenden Jahres. Offenkundig gibt es Streit mit beteiligten Unternehmen über Kostenfragen.

Bei dieser Erinnerung an die friedliche Revolution handelt es sich um eine kühne, auf dem Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals entstandene Konstruktion. Die Losung „Wir sind das Volk, wir sind ein Volk“ ist in das „Bürger in Bewegung“ darstellende Monument ebenso integriert wie es Bilder aus der Wendezeit sind.

Die Zeitplanung dieses von ständigen Auseinandersetzungen und langjährigem Stillstand auf der Baustelle begleiteten Projektes erinnert an den Bau des Berliner Flughafens, dessen Inbetriebnahme sich auch um mehr als ein Jahrzehnt verzögerte. Dass die Pflege der Erinnerungskultur in der Hauptstadt von einem auf den anderen nationalen Feiertag verschoben werden muss, ist eine besondere Peinlichkeit.

Die dafür verantwortliche Kultur-Beauftragte, Claudia Roth, hat sich in ihrer Amtszeit ohnehin als Fehlbesetzung erwiesen. Erinnert sei an die antisemitischen Kunstwerke auf der documenta in Kassel und ihre fragwürdigen Reaktionen, die ausbleibende Reform der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ und ihre Personalpolitik bei der Berlinale, die bei vielen renommierten Filmschaffenden auf der ganzen Welt Kopfschütteln und Kritik ausgelöst hat.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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