Verbotenes schmeckt süß

Dieter Weirich

Der Weg in ein ebenso gesundes wie kinderfreundliches Paradies ist bei der Berliner Ampel mit Verboten gepflastert. Mit dem schon mehrfach überarbeiteten Entwurf für ein „Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz“ (KLWG) hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein bürokratisches Monster voller Widersprüche mit Paragraphen geschaffen, die den Geist der Bevormundung und Umerziehung atmen. „Wir wollen doch nur das Beste für die Kinder“, verlautet es aus dem Ministerium. Gut gemeint, so sagt uns die Lebenserfahrung, ist freilich oft das Gegenteil von gut gemacht.

Wenn Produkte zu viel Salz, Fett oder Zucker enthalten, will der grüne Minister Werbung, die auf Kinder bis zu 14 Jahren zugeschnitten ist, verbieten. Ursprünglich sollte ein Werbeverbot im Fernsehen von 6 bis 23 Uhr gelten, im neuen Entwurf ist die Werbung wochentags von 17 bis 22 Uhr, samstags von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr untersagt.

Geradezu absurd sind die strengen Fett-Vorgaben für Naturprodukte wie Käse, Butter und Joghurt, mit denen das Ressort Özdemirs die Hersteller zur Einhaltung bestimmter Grenzwerte zwingen will. Künstlich fettreduzierte Molkereiprodukte aus dem Diätprogramm finden dagegen die Gnade Özdemirs.

Wie viele andere Gesetze mit grüner Handschrift dokumentiert auch diese Vorlage wieder das mangelnde Zutrauen der Ökopartei in die Eigenverantwortung und Vernunft von Eltern und Erziehungsberechtigten. Statt die freiwilligen Vereinbarungen mit der Lebensmittelwirtschaft zum Schutz der Kinder zu optimieren, setzt man in deutscher Regelungssucht auf den allein selig machenden Staat.

Die Steuerungsmanie schafft nur neue bürokratische Instrumente, behindert dagegen Innovation in der Werbung. Ein Gutachten des Markenverbandes rechnet mit Bruttowerbeverlusten von drei Milliarden Euro und sieht den Lebensmittel-und Medienstandort Deutschland gefährdet. Außerdem bringen Verbote nichts, weiß man doch seit dem Alten Testament, dass verbotene Früchte besonders süß schmecken.

Die Ampel scheint intern den Streit auch dort zu suchen, wo ihre Zuständigkeit fragwürdig ist. Schließlich ist Medienrecht doch Sache der Länder. Die FDP will in den sauren Apfel nicht beißen, möchte das Gesetz verhindern.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

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