Weirichs Klare Kante
Berliner Löwen-Safari
Partylöwen sind keine Großwildjäger. Berlins Polizei glaubte, auf einem Video eine Löwin entdeckt zu haben und startete zum Schutz der Bevölkerung in der Hauptstadt mit Hubschraubern, Drohnen, Panzerwagen, Maschinenpistolen und Hunderten von Einsatzkräften die teuerste Safari der Geschichte. Nachdem sich die Bestie, die keinem Tierpark oder Zirkus abhandengekommen war, als Wildsau herausstellte, wurde die Suche eingestellt. Das Sommerloch hatte seinen ersten realen Brüller, es bedurfte keiner Fake News.
Die Lachnummer aus dem Komödienstadel in Kleinmachnow sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die Medien berichteten live über die Suchaktion, baten die Bürger, ihr Zuhause nicht zu verlassen. Angsteinflößend war vor allem der Heißhunger des Königs der Tiere, der ein Wildschwein verzehrt haben sollte. Ermittlern wie Fachleuten aus der Zoologie gaben aber zu bedenken, dass die Löwin keinerlei Speisereste hinterlassen hatte. Nach den Zweifeln vieler Experten nahm schließlich der Bürgermeister von Kleinmachnow sein Löwenherz in die Hände und erklärte die Großwildjagd für beendet.
Bezeichnend waren vor allem politische Reflexe am Rande der Suchaktion. Die grüne Sprecherin für Wildtierfragen, June Toniak, ging wohl fest davon aus, die Löwin sei einem reichen Halter von Großkatzen entlaufen. Das sei kein „Kaviarsdelikt“ schimpfte sie in ihrer ideologisch aufgeladenen Presse-Erklärung. Gemeint hatte sie wohl ein „Kavaliersdelikt“.
Die gigantische Suchaktion hält der brandenburgische Innenminister Stübgen für „voll gerechtfertigt“, sei es doch um den optimalen Schutz der Bürger gegangen. Er erinnerte an Löwen und Tiger, die vor Jahren aus Gehegen und zirzensischen Unternehmen entkommen waren und betäubt werden mussten.
Keine Fata Morgana war übrigens ein am gleichen Tag auf dem Anwesen des Bundeswirtschaftsministers aufgetauchter Leguan, von dem man nicht weiß, wie er auf die Bäume vor Robert Habecks Büro gekommen war. Das gewöhnlich in Südamerika angesiedelte Tier ist freilich ungefährlich.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.