Misstöne bei Corona-Musik

Dieter Weirich

„Welche Regierung ist die beste: Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren“ befand einst der auch in Regierungskunst geübte große Sohn Frankfurts, Johann Wolfgang von Goethe. Kluge Appelle an mehr Eigenverantwortung könnten auch beim Durchhalten auf der langen Hindernisstrecke von Corona mehr bewirken als onkelhafte Belehrungen, ständige Angstmache und eher verunglückte Gags in einer  als hochprofessionell ausgegebenen Krisenkommunikations-Kampagne. Auch bis ins kleinste Detail gehende Kontaktverbote, die man ohnehin nicht kontrollieren kann, befördern das Narrativ der Gängelung.

Zugegeben, es ist nicht leicht, Menschen im Kampf gegen ein Virus zu vereinen, das sich weder an die Vorgaben von Politikern, noch an die Voraussagen von Wissenschaftlern hält. Bis jetzt immerhin sieht eine relativ große Mehrheit der Bevölkerung schon des eigenen Gesundheitsschutzes zuliebe die von Berlin und den Ländern getroffenen Maßnahmen ein.

Trägt aber die Krisenkommunikation zur Motivation bei? Eher nein. In einer Aktion des Berliner Senats zeigte eine Seniorin den Mittelfinger für „alle ohne Maske“, was der Regierende Bürgermeister Müller „nur peinlich“ fand. Das Material wurde eingestampft. Die für ihren rauen Ton bekannten Hauptstädter fordern auf Litfaßsäulen: “Nicht rumgurken. Maske vor die Rübe“. Freiherr von Knigge hätte so was nicht durchgehen lassen.

In einer „besonderehelden“-Kampagne der Bundesregierung avanciert man im Schnelldurchgang zum Heros. Zwei ältere Menschen meditieren retrospektiv über den schicksalhaften Winter 2020, in dem sie als Nichtstuer zu Helden wurden. Die Empfehlung, sich schlicht auf die faule Haut zu legen, hätte man mit einem Werbespot für das bedingungslose Grundeinkommen kombinieren können.

Fragwürdig sind auch die Kampagnen von Gesundheitsminister Spahn, dessen Werbeetat mehr als verzwanzigfacht – von drei auf über 60 Millionen Euro – wurde. Medienpolitisch bedenklich ist der Auftrag an die Plattform Google, den Covid-Informationen Vorrang einzuräumen und ein redaktionell gestaltetes Angebot zu verbreiten.

Geschichtsvergessen und geradezu alarmistisch sind die Warnungen des CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet, Deutschland stehe vor dem härtesten Winter der Nachkriegsjahre. Offensichtlich beginnt bei ihm die deutsche Geschichte mit dem Wirtschaftswunder.

Der Ton macht bekanntlich die Musik. Professor Matthias Schrappe, lange Vize-Chef des von der Bundesregierung berufenen Sachverständigenrates für Gesundheit, warnt zu Recht vor einem „Dauer-Schockzustand“. Starke Krisenkommunikation heißt, Licht am Ende des Tunnels aufzuzeigen und glaubwürdig bessere Zeiten zu verheißen. Das sollte mit einer intelligenten Kommunikationskampagne zu den bald beginnenden Impfungen gelingen.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, skizziert jeden Montag mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen bei uns in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Frankfurter Neuen Presse”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

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