Kopf in den „Renten-Sand“

Autor Dieter Weirich

Babyboomer im Anmarsch auf die Rentenkassen, eine stagnierende Geburtenrate, ein steigender Anteil älterer Menschen bei gleichzeitiger Schrumpfung der „Generation Mitte“ – der demografische Wandel Deutschlands ist mindestens so besorgniserregend wie es die sich aus dem Klima ergebenden Herausforderungen sind. Eine Große Koalition der Verdränger, von den Regierungsparteien bis hin zur grünen Opposition, übt sich in Vogel-Strauß-Politik, steckt den Kopf in den „Renten-Sand“, hat Angst vor der Rente mit 68, die nur ein Aspekt bei der Bewältigung der Probleme wäre.

Zweifler an der richtigen Umweltpolitik werden gerne als Rechtspopulisten gebrandmarkt, müssen das einem politischen K.o. gleichkommende Etikett des „Klimaleugners“ fürchten. Dabei verweist man auf die Zukunftsprognosen der Wissenschaft. Wenn aber der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums angesichts einer immer mehr alternden Gesellschaft und des drohenden Ruins des Bundeshaushaltes ein rasches Umdenken und Reformen wie die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung fordert, dazu einen flexiblen Korridor für den Renteneintritt und die Orientierung bei Rentenerhöhungen an der Inflationsrate statt an den Löhnen, ertönt ein Chor der „Rentenleugner“.

Weil man das ungeliebte Thema aus dem Wahlkampf heraushalten will, verweist SPD-Finanzminister Olaf Scholz die „Pläne ins Reich der Phantasie“, Wirtschaftsminister Altmaier kann mit den Vorschlägen des eigenen Beirats auch nichts anfangen, der christdemokratische Kanzlerkandidat Armin Laschet schlägt eine neue Rentenkommission vor, obwohl die alte ihre Unfähigkeit zum Perspektivwechsel gerade erst demonstriert hat. Die Grünen sind monothematisch so aufs Klima fixiert, dass ihnen zur Rente nichts einfällt.

Man fragt sich, warum die Jungen zu Recht mit dem Klima Ängste verbinden, ihre Situation im Alter dagegen kaum thematisieren. Jeder Fünfte ist in Deutschland inzwischen über 65 Jahre alt, 2060 wird es jeder Dritte sein. Die UNO stuft Länder wie Japan und Deutschland als „Super-Ager“ ein. Jeder dritte Euro aus dem Bundeshaushalt, das sind aktuell 106 Milliarden Euro, fließt als Zuschuss in die Rentenkasse. 2050 könnte es jeder zweite Euro sein, wenn man an den jetzigen Haltelinien für den Rentenbeitrag und das Rentenniveau festhält.

Ein Blick über den europäischen Zaun zeigt, dass sich andere Länder mit den gleichen Problemen der Herausforderung offensiv stellen. Dänemark, Großbritannien und die Niederlande haben die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung schon eingeleitet, Schweden hat die „Aktienrente“ eingeführt, und in Norwegen setzt man auf eine Fondslösung als Standardprodukt. Deutschland tritt dagegen auf der Stelle.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, veröffentlicht jeden Montag mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Frankfurter Neuen Presse”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

 

 

 

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