Leben nach der Politik

Autor Dieter Weirich

Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Dies gilt nicht nur für Regierungen, sondern auch für ihre Kontrolleure, die Parlamente. Gleich drei Volksvertreter aus dem Rhein-Main-Gebiet nehmen Abschied aus dem Deutschen Bundestag. Mit dem erst 46 Jahre alten Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Dr.Peter Tauber, aus Gelnhausen hat sich der prominenteste Mandatsträger in diesen Tagen bereits verabschiedet. Mit Ulli Nissen und Matthias Zimmer verliert Frankfurt zwei Abgeordnete.

Was machen Berufspolitiker nach ihrem Abschied aus dem Hohen Haus? Tauber, gebürtiger Frankfurter, hat in seiner Parlamentszeit von 2009 bis 2021 schnell Karriere gemacht, war Generalsekretär der Parteivorsitzenden Angela Merkel, bevor ihn eine entzündliche Darmerkrankung aus der Bahn warf. Er überstand eine Notoperation wegen einer Blutvergiftung und eine Bauchfellentzündung. Deshalb kündigte er schon im Oktober 2020 an, nicht mehr zu kandidieren und dem Nordhessen Thomas Viesehorn Platz zu machen. Jetzt hat sich der Hauptmann der Reserve auf der Hardthöhe abgemeldet, der zivile Historiker plant sich wohl an der Universität der Bundeswehr zu habilitieren.

Ein origineller Kopf, engagierter Sozialpolitiker und fundierter Wissenschaftler ist Prof. Dr. Matthias Zimmer, der in seinem Frankfurter Wahlkreis knapp gegen seinen Parteifreund Axel Kauffmann von der Mittelstandsvereinigung verloren hat. Das wettbewerbswidrige Reißschluß-Verfahren der Frankfurter CDU, nach dem sich die Sozialausschüsse und der Mittelstand wechselseitig einen Kandidaten genehmigen, hatte nicht funktioniert. Zimmers klaglose Analyse, er sei wohl für die Ära Merkel in Mithaftung genommen worden, dürfte zutreffend sein.

Mit dem nahenden Ausscheiden aus dem Bundestag profiliert sich der kreative Politikwissenschaftler und Hochschullehrer als Romancier mit einem ersten Werk, das von beachtlicher Erzählkunst spricht: „Morandus“ – der Name eines Heiligen, dessen 906. Todestag sich am Donnerstag jährt, erinnert sich in der Gestalt eines kanadischen Bauunternehmers in einer Migranten-Studie an die Jahre der Nazi-Diktatur und entdeckt die Unsterblichkeit der Liebe bei einem Besuch an früherer Wirkungsstätte. Die edition Faust in Frankfurt hat das Buch publiziert.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen hätte ihren Wahlkreis gerne zum fünften Male in Berlin vertreten, musste aber in einer Kampfabstimmung dem Vorsitzenden des SPD-Bezirks Hessen-Süd, dem 30 Jahre jüngeren Rechtsanwalt Kaweh Mansoori, weichen. Künftig kann sie sich einem Thema ehrenamtlich verstärkt widmen, dem schon bisher ihr besonderes Interesse gehörte, dem Mieterschutz.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, veröffentlicht jeden Montag mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Frankfurter Neuen Presse”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “ als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

 

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