Weirich am Montag
Inseln der Freiheit
„Mein Herr, ich teile Eure Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen“. Dem französischen Philosophen und Schriftsteller Voltaire, der das 18.Jahrhundert in unserem Nachbarland mit der Idee der Aufklärung prägte, wird diese Selbstverpflichtung zugeschrieben. Voltaires Satz könnte in einer immer intoleranter werdenden Welt als Mahnung über dem heutigen „Tag der internationalen Pressefreiheit“ stehen.
Seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten erinnert uns dieser von der UNESCO ins Leben gerufene Tag an die Bedeutung freier Berichterstattung für demokratische Gesellschaften. Unabhängige und pluralistische Medien machen freiheitliche Ordnungen aus; sie sind unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaates.
Demokratien sind Inseln in der Welt. Autoritäre Regime werden immer dreister mit ihren Repressionen gegenüber Berichterstattern, ob sie sich als Korrespondenten traditioneller Medien, Blogger oder Bürgerjournalisten begreifen. Beim Siegeszug der sozialen Medien verschwimmen die Grenzen des journalistischen Berufsbildes.
Die internationale Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ zeigt uns beklemmende Statistiken auf. So sind über 300 Journalisten in Haft. Betrachtet man sich die Medienentwicklung in über 180 Staaten, so hat sich die Freiheit vor allem in Asien, dort in erster Linie in der Volksrepublik China, in Saudi-Arabien und in Ägypten verschlechtert. Besonders aggressiv ist Peking, das offenkundig eine neue Weltordnung der Medien anstrebt. Freie Stimmen sind da eine lästige Einmischung in die inneren Angelegenheiten.
Wie auch die Chinesen, verbreiten die Russen über ihre staatlich gelenkten Auslandssender ein geschöntes Bild ihres Landes, im Inneren nimmt der Einfluss der Herrschenden gleichzeitig zu. Populisten wie Jair Bolsonaro in Brasilien agieren mit Desinformation und suchen dabei Unterstützung in den sozialen Medien, führen Wahlkämpfe mit WhatsApp.
In Afrika hat sich die Situation in der vergangenen Dekade leicht verbessert, wenngleich die Lage in den einzelnen Ländern stark differiert. Im internationalen Vergleich steht Europa selbstverständlich gut da. Deutschland hat sich in der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen vom Platz 11 auf 13 verschlechtert, was mit der zunehmenden Gewalt gegen Journalisten zusammenhängt.
Wir haben eines der vielfältigsten Mediensysteme der Welt, eine freie, privatwirtschaftlich organisierte Presse, einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in einer dualen Ordnung mit privaten Anbietern konkurriert und zunehmende Angebote in den sozialen Medien. Freilich ist die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage der Zeitungen ebenso ein Menetekel wie der zunehmende Hass und die Hetze in der Auseinandersetzung. Leider
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, veröffentlicht jeden Montag mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Frankfurter Neuen Presse”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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