von der Leyens Flirt mit der Rechten
Weirichs Klare Kante
Die Europawahlen am 9. Juni, die – Auguren zufolge – die „alte Welt“ weiter nach rechts rücken werden, sind auf alle Fälle ein bedeutsamer Test in der Stimmungsdemokratie. Auch wenn die Ergebnisse bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in den acht Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt oft mit regionalen Besonderheiten zu erklären sind, so geben sie doch Hinweise auf das politische Binnenklima. Das gilt vor allem in den drei ostdeutschen Bundesländern vor den Landtagswahlen im Herbst.
EU-Kritiker haben es leicht, denn die Regierungsbilanz der Europäischen Kommission in Brüssel ist alles andere als überzeugend. Die Vollendung des Binnenmarktes lässt auf sich warten, der Ukraine-Konflikt zeigt die Hilflosigkeit in der Sicherheitspolitik, die Migration ist (und bleibt) das alles beherrschende Problem, die mangelnde Integration in den Märkten bei der Telekommunikation und der Verteidigungsindustrie schwächen unvermindert den Kontinent.
Auch der sogenannte „Green Deal“ ist kein Meisterwerk. Statt einer europäischen CO 2-Bepreisung und entsprechenden Abkommen mit anderen Wirtschaftsräumen gibt es eine fragwürdige Taxonomie-Verordnung, die einen Rahmen für ein EU-weites Klassifizierungssytem definiert und Anleger vor Greenwashing schützen soll.
Mit Ursula von der Leyen setzt die Union auf eine von ihr eher nicht geliebte Spitzenkandidatin, die mit Blick auf ihre Wiederwahl mit der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni flirtet und eine Kooperation mit der ECR, den EU-kritischen „Europäischen Konservativen und Reformern“ nicht ausschließt. Für ihren CDU-Parteifreund, den Europäer David McAllister, ist das nicht hinnehmbar. Er will nur ein Zusammengehen mit proeuropäischen Gruppen. Streit ist also programmiert.
Von der Leyens Europäische Volkspartei (EVP), die vermutlich stärkste Fraktion im Euro-Parlament bleiben dürfte, sieht in der europäischen Abstimmung eine Schicksalswahl. Sie will die Etablierung eines Verteidigungskommissars, damit Europa sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht, fordert einen entschlossenen Kampf gegen die illegale Migration, setzt sich für weitere Fortschritte beim Klima und einen Abbau des in der Pandemie kräftig gewachsenen Schuldenbergs ein.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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