Katharina Schreiber – eine AfD-Aussteigerin packt aus

Von Gisbert Kuhn

Franziska Schreiber © Europa Verlag

Ein Buch, einfach geschrieben und gewiss kein literarisches Meisterwerk, macht seit kurzem Furore in der politischen und politisch interessierten Szene im Lande. Kein Wunder – berichtet darin doch eine Aussteigerin aus dem Innenleben jener Partei (oder besser, jenes Sammelbeckens aus Rechtsnationalisten, Unzufriedenen und sicher auch echt Besorgten) auf die gegenwärtig, quasi in Schockhaltung, die etablierte Politik und große Teile des Bürgertums starren wie das berühmte Kaninchen auf die Schlange: die Alternative für Deutschland, kurz AfD. Die Autorin Katharina Schreiber, 28 Jahre alt und aus Dresden, war 2013 Mitglied geworden und hatte anschließend sowohl bei der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) wie auch als enge Mitarbeiterin der einstigen (aber inzwischen kalt entmachteten und daraufhin entnervt zurückgetretenen) Parteivorsitzenden Frauke Petry rasant Karriere gemacht. 2017, von einer glühenden Anhängerin des national-konservativen Denkens zu einer offensichtlich total desillusionierten Realistin gewandelt, verließ sie Partei und gilt dort seitdem als „Verräterin“.

Verbot gescheitert

Entsprechend hat es bereits Versuche gegeben, das Buch gerichtlich verbieten oder zumindest per einstweilige Verfügung dessen Auslieferung untersagen zu lassen. Unter anderem von dem aus dem oberschwäbischen Ravensburg stammenden Götz Kubitschek, der mittlerweile als eine Art Vordenker der „Neuen Rechten“, Verleger und Chef der neurechten Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“ auf dem einstigen Rittergut Schnellroda im sachsen-anhaltinischen Saale-Kreis fungiert. Schreiber berichtet in ihrem Buch über das enge Verhältnis zwischen Kubitschek und dem immer wieder durch rechtsradikale Äußerungen von sich reden machenden AfD-Fraktionschef im thüringischen Landtag, Björn Höcke. Kubitschek scheiterte allerdings mit seinem Verbotsantrag ebenso wie die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach, deren Desiderius-Erasmus-Stiftung seit dem jüngsten Parteitag in Augsburg zur AfD gehört. Damit hat sich die Partei Zugang zu erheblichen staatlichen Geldmitteln geschaffen.

Meinungsfreiheit und Maulkorb

Das Buch ist ein richtiger Stich ins Wespennest. Denn es gewährt tiefe Einblicke in das Innenleben einer sich zunehmend konspirativ verhaltenden Organisation, die zwar ihrerseits lautstark auf das Recht zur Meinungsäußerung („Das wird man ja schließlich noch sagen dürfen“) einfordert, dies jedoch selbst der eigenen Anhängerschaft nicht zugesteht. Wer Kritik auch nur leise äußert, sieht sich schnell ausgegrenzt. Schreiber schildert ebenso offen wie detailliert, wie sie als Pressereferentin selbst hemmungslos Manipulationen vornahm. Die erste Aufregung um das Schreiber-Buch „Inside AfD“ hatte es gegeben, als der Europa-Verlag von den kurzen Passagen berichte, in denen die Autorin über Zusammenkünfte der damaligen Parteivorsitzende Frauke Petry mit dem Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen schrieb. Doch das war und ist an sich lediglich ein Appetit-Anreger zum Lesen. Denn das wirklich Interessante, Erregende, ja Erschütternde sind die Schilderungen Franziska Schreibers über die Vorgänge in der Partei selbst. Wie sich die ursprünglich einmal von EU- und Euro-kritischen Wirtschaftern und Wissenschaftlern um den einstigen Manager Hans-Olaf Henkel und den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke gegründete „Alternative für Deutschland“ immer mehr in die Hände von Rechtspopulisten geriet, um von diesen schließlich vollständig übernommen zu werden.

Wer hat das wahre Sagen?

Folgt man den Erzählungen, dann haben längst auch nicht mehr die scheinbaren Gallionsfiguren wie Alexander Gauland, Alice Weidel oder Beatrice von Storch das Sagen, sondern Leute wie Björn Höcke oder Götz Kubitschek. Von ihnen werden Aussprüche kolportiert, man dürfe ja noch nicht alles sagen, aber wenn „die Zeit da ist“, werde „aufgeräumt“ – in den Sendern und Redaktionsstuben der „Lügenpresse“ und auf dem gesamten politischen Parkett. „Inside AfD“ ist eigentlich ein Lernbuch. Ein Nachschlagewerk für alle, denen der hierzulande einstmals unbestrittene Schwur „Nie wieder!“ noch immer als Leitmotiv für ihr Leben gilt. Erich Kästner, der großartige Satiriker und zeitgenössische Beobachter, hatte nach der nationalsozialistischen Katastrophe gesagt, der Widerstand gegen die Nazis hätte 1928 erfolgen müssen, 1933 sei es bereits zu spät gewesen. Vieles an der politischen Entwicklung der vergangenen Jahre lässt diese Warnung wieder aufleben.

 

„Inside AfD. Bericht einer Aussteigerin“
Europa Verlag, München
Gebundene Ausgabe, 221 Seiten

18,00 € (D) / 18,50 € (A)
ISBN 978-3-95890-203-9

 

 

 

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