Kuhns Klare Kante

Gisbert Kuhn

 Genau so lautete früher einmal, auf alle Fälle zu Zeiten unserer Großeltern, die einfache wie simple, aber auch zentrale Mahnung im Kodex der Erziehung. Und exakt so wurde sie auch von den allermeisten Kindern und Jugendlichen verstanden. „Danke“ sagen kostet nichts, aber es erfreut die anderen Menschen. Jemandem die Tür aufhalten oder einer älteren Frau die schwere Einkaufstasche zum Auto tragen, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, löst jedoch heute eher Erstaunen bis Fassungslosigkeit aus.

In diesen Tagen wünschen sich Menschen allenthalben friedliche und geruhsame Weihnachten, am besten im Kreise der Familie und sonstigen Liebsten. In der Gesellschaft setzt man also offensichtlich mehr oder weniger bei Jedermann Freundlichkeit, ja Herzenswärme gegenüber – erneut – Jedermann voraus. Doch leider ist die Wirklichkeit anders. Und auch die meisten guten Wünsche klingen im Grunde mehr nach gewohnter Routine als wirklicher Zuwendung

Danke Sagen für erhaltene Wohltaten oder Geschenke, Türen aufhalten, in den Mantel helfen, in Straßenbahnen und Bussen nicht „cool“ die Füße auf den Sitz gegenüber legen – diese und noch mehr solcher an sich doch normalen Gewohnheiten würden dem alltäglichen Umgang miteinander ganz gewiss guttun. Sie sind auch gar nicht von der so gern geschmähten „heutigen Jugend“ auf der Müllhalde der zivilisatorischen Kultur entsorgt worden. Sie wurden schon seit ein paar Generationen gemeuchelt – und werden es noch immer.

Ist es deshalb nur kein Wunder oder ist es vielleicht sogar folgerichtig, dass schlechtes Benehmen und Rüpelhaftigkeit bis hin zu persönlicher Niedertracht inzwischen selbst in den obersten Etagen der Politik Einzug gehalten haben. Gewiss, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Herausforderer, Friedrich Merz, in einer aus dem Kanzleramt übertragenden (!) Ansprache scheinbar verächtlich als „Fritzchen“ abzutun versucht, sind die Claqueure schnell bei der Hand, eine solche Entgleisung als „es-ist-halt-schon-Wahlkampf“ kleinzureden.

Nein, Wahlkampf ist keine Entschuldigung dafür. Und die Sache wird auch kein bisschen besser dadurch, dass die anderen – die von der Gegenseite – dasselbe tun. Gutes Benehmen sollte nicht abhängig sein von der jeweiligen Gelegenheit. Sondern es sollte zu unseren zivilisatorischen Selbstverständlichkeiten gehören. Ober besser – von ihnen zurückgeholt werden. So viel altmodisches Wünschen muss doch erlaubt sein?! Wenigstens an Weihnachten. Oder nicht?

 

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