Dieter Weirich

Weirichs Klare Kante

Für die bei den Europawahlen und den landespolitischen Entscheidungen im Osten bös gerupften Grünen geht es bei dem in Wiesbaden stattfindenden Bundesparteitag um eine „strategische Neuausrichtung“, so die zurückgetretene Parteivorsitzende Ricarda Lang. Gleichzeitig will sich die mit ihrer bisherigen Geschäftsführung unzufriedene Ökopartei mit einem neuen Management auf den Wahlkampf für eine nach dem Scheitern der Ampel vorgezogene Neuwahl des Bundestages vorbereiten.
Langs bisheriger Ko-Chef Nouripour hat für die Wahl ein Ziel ausgegeben. Im Rennen um den zweiten Platz hinter der Union wollen die Grünen die SPD überholen, was er angesichts der Umfragen für machbar hält.
Sieht man von der unterirdisch extrem eingestellten Grünen Jugend ab, scheint die sich in zwei Flügel, den klassisch linken und den bürgerlich-linksliberalen Teil gespaltenen Ökos, zumindest in einer Frage einig zu sein. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll Kanzlerkandidat werden. Er sei ein moderner Politiker, verkörpere Zukunft, hebe sich von den älteren Männern Scholz und Merz vorteilhaft ab.
Eine gefährliche Strategie, hat Habeck doch als Wirtschaftsminister eine magere Bilanz, ist nach dem Flop mit dem Heizungsgesetz und einer verfehlten Subventionspolitik schwer angeschlagen. In der Wirtschaft gilt er als Fehlbesetzung. Habeck sieht sich aber als „Bergsteiger“ auf dem Weg zur Macht.
Mit dem auf dem Bundeskongress zu wählenden neuen Duo im Vorsitz, nämlich seiner Staatssekretärin Franziska Brantner und dem Linken Felix Banaszak, hat Habeck jedenfalls loyale Mitstreiter. Die künftige Strategie in der – so Brantner – „tiefsten Krise Deutschlands“ heißt vor allem „Kurs halten beim Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt“ sowie der Modernisierung des Landes.
„Selbstgenügsamkeit in der politischen Mitte“ ist Brantner zu langweilig. Für sie sind eine Reform des Staatsaufbaus, um schneller zu werden, der Kampf gegen die Vermögensungleichheit und eine von „Humanität und Ordnung“ geprägte Migrationspolitik weitere wichtige Themen.
Mit einem – in der Koalition unabgesprochenen – „Deutschlandfonds“, der nur mit einem Sondervermögen von vielen Milliarden Euro zu schultern wäre, hat Habeck bereits den Wahlkampf eröffnet. Auch wenn er Scholz noch zur Seite steht und dies mit „staatspolitischer Verantwortung“ begründet.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

           

  

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