Na also, es geht doch!
Kuhns Klare Kante
Diese Daten bedürfen keiner Kommentierung: 192 Stunden Dauereinsatz bei jeder Witterung, mehr als tausendmal Anheben von tonnenschweren Dammbalken, viertausendmal Befestigung von Kettenhaken in die Metallelemente durch Taucher bei praktisch Sicht Null, Notschleusungen von 72 großen Binnenfrachtschiffen in einem immer mehr von Routine geleiteten Handbetrieb in immer geringer werdenden Zeitabständen.
Es geht um einen geglückten Kraftakt, der von Vielen in deutschen Landen nicht mehr für möglich gehalten wurde. Am 8. Dezember war bei Müden an der unteren Mosel ein voll beladener Lastkahn in die etwas oberhalb des Städtchens liegende Schleuse gerammt und hatte die Tore zerstört. Ein weiterer Betrieb erschien für Monate unmöglich, allein der wirtschaftliche Verlust wurde auf monatlich bis zu 6 Millionen Euro geschätzt, weil der gesamte Güterverkehr auf dem Fluss unterbrochen war.
Lassen wir einmal die technischen Inspirationen und Leistungen der Techniker und Handwerker beiseite, deren Wagemut und Umsetzung praktisch innerhalb weniger Tage die ökonomische Katastrophe hat vermeiden lassen. Mindestens ebenso wichtig ist doch eine andere Erkenntnis: Es geht doch noch in diesem Land. Man kann, wenn man nur will, etwas schaffen. Unsere Bevölkerung besteht nicht nur als maulenden und über alles schimpfenden Bürgern, sondern genauso aus Männern und Frauen, die einfach nur zupacken, weil es nötig ist und Dinge gelöst werden müssen – auch wenn dies angesichts all der über die Jahrzehnte angehäuften Regularien, Ge- und Verbote und was es so alles in der deutschen Bürokratie gibt zunächst unmöglich erscheint.
An der Müdener Schleuse wurde ganz gewiss kein Taucher ohne Sauerstofflasche und Anzug auf den Grund der Mosel gelassen. Auf die Sicherheit der Akteure wurde schon geachtet. Aber ansonsten schob man einfach alle hindernden Paragraphen beiseite. Ohne diese „Befreiung“ keine Lösung. Was hier geleistet wurde, müsste eigentlich eine Signalwirkung auf unsere Gesellschaft haben. Nämlich die, dass – erstens – Schwierigkeiten zum Leben nun einmal dazugehören und deren Beseitigung nicht einfach „der Politik“ übertragen werden kann, sondern zunächst einmal Eigenleistung erfordert. Weiter: Dass Probleme – zweitens – gelöst und Schwierigkeiten bewältigt werden können durch eben diese Eigen-Initiative. Man braucht manchmal bloß ein wenig Mut zu haben.
Ganz einfach ausgedrückt: Die bequem gewordene Masse unserer Mitbürger müsste sich eigentlich durch das Beispiel der Männer und Frauen an der Schleuse Müden aufgerüttelt fühlen. Sie müsste doch spüren, dass das sinnlose Schimpfen auf „die da oben“, keine überzeugende Verhaltensweise in einem Land sein kann, das vor allem Kreativität und Tatkraft braucht, um seine Wohlstands-Position in der Welt zu halten.
Mitunter hat es den Anschein, als bildeten die „Mauler“, Bedenkenträger und Spökenkieker die Mehrheit und hätten nichts lieber als schlechte Nachrichten, um sich selbst glücklich und zufrieden zu fühlen. Vielleicht aber ist die Majorität unserer Gesellschaft aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Aber dann sollte sie sich schnell bewusst werden, dass man den Ton um Lande nicht den Schreiern und Vereinfachern überlassen darf. Nicht denen in den Medien und auch Parlamenten, die Leistungen und Kompromisse nicht mehr zu würdigen und einzuschätzen wissen.
Auf das was an der Müdener Schleuse geschafft wurde, könnten wir Deutschen stolz sein. Wenn wir uns denn ein Beispiel daran nähmen und einfach zu uns sagten: „Na also, es geht doch!“
Gisbert Kuhn ist Journalist und war über viele Jahre innenpolitischer Korrespondent für zahlreiche Zeitungen sowie Mitarbeiter bei Rundfunk und Fernsehen in Bonn und Brüssel..
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