Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

 Mit der Eröffnungsspiel der deutschen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft auf eigenem Boden gegen Schottland hoffen alle auf eine Wiederholung des „Sommermärchens“ bei der Fußball-WM 2006. „Es sind alles Deutsche, das sind alles unsere Jungs“ unterstrich Bundeskanzler Scholz die kulturelle Vielfalt im deutschen Team, auf dass wir stolz sein könnten. Der Regierungschef hofft auf eine erfolgreiche Nationalmannschaft als Stimmungsheber in einem immer schwermütiger werdenden Land.

Selbst aus dem grünen Lager kommen patriotische Töne. Dabei rechtfertigt sich kein anderes Volk der Welt so eilfertig wie das deutsche für seine Nationalgefühle und Heimatliebe. Selbst wenn es um die Leistungen seiner Kicker geht. Patriotismus ist hierzulande vor allem bei der Linken in zu enger Nachbarschaft zum Nationalismus angesiedelt.

Dabei ist der Unterschied eigentlich ganz einfach. Der Patriot liebt sein Vaterland. Er pflegt Traditionen und Werte. Der Nationalist hingegen hält seine Heimat anderen für überlegen, verachtet andere Vaterländer. Wie ein „patriotisches Küken aus dem Osterei schlüpfend“ präsentierte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck, der bei der Trikot- Rechtevergabe des Deutschen Fußball-Bundes an den Sportausrüster Nike in den „Vaterlandslosen-Gesellenchor“ der Politik einstimmte und dem nationalen Verband „mehr Standort-Patriotismus“ wünschte.

Dass ausgerechnet Habeck den Patriotismus bemüht, überrascht. In seinem vor eineinhalb Jahrzehnten veröffentlichten Buch über „Patriotismus als linkes Plädoyer“ konnte er mit „Vaterlandsliebe“ nichts anfangen“, fand „Patriotismus zum Kotzen“. Später näherte er sich dem – so wenigstens seine Diktion -„Verfassungspatriotismus“, der Begeisterung für das Gemeinwohl, für gemeinsame Ideale“. Für die Energiewende wirbt er mit „ökologischem Patriotismus“.

Noch bei der Fußball-WM 2006 hatte die Grüne Jugend vor „nationalen Gemeinschaftsfühlen“ gewarnt. Schwarz-rot-goldene Fahnen sollten abgerissen werden. Diesmal ist der Nachwuchs still. Vielleicht erleben wir ja bei der Fußball-Europameisterschaft nun doch einen „runden Leder-Patriotismus“ auf politisch ungewohnter Seite. Habeck könnte bei deutschen Erfolgen argumentieren, der kranke Mann Europas habe gesunde Knochen. Die jungen Linken wollen der Rechten das Feiern nicht überlassen.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

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