Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Die Hauptstadt gleicht noch bis zum Wochenende einem glitzernden Laufsteg. Der wegen seiner Rolle in „Oppenheimer“ Oscarpreis-Verdächtige Cilliam Murphy, Golden Globe-Gewinner Matthew Damon, Iris Berben, Veronica Ferres und Regisseur Wim Wenders waren neben vielen anderen auf dem Roten Teppich der 47. Berlinale zu sehen. Neben Cannes und Venedig gehört dieses Filmfestival zu den wichtigsten der Welt. Höhepunkt der Veranstaltung ist immer die Verleihung des Goldenen Bären, für den diesmal 20 Filme aus 30 Ländern konkurrieren.

Alle „Bussi-Orgien“ bei zahlreichen Empfängen mit Stars und Starlets können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Berlinale – wie ihr Standort – von abnehmendem Glanz gekennzeichnet ist. Die neue Chefin, die aus London gekommene US-Amerikanerin Tricia Tuttle, muss einsparen, Programme reduzieren, abspringende Sponsoren wiedergewinnen und für internationale Stars wieder attraktiver werden.

Berlin pflegt vor allem sein Image als „politisches Festival“, was seiner Anziehungskraft leider nicht dient. So wirkte die Demonstration gegen den Rechtsextremismus mit der Ausladung lokaler AfD-Funktionäre eher wie eine demokratische Pflichtübung, der „Strike Germany“-Aufruf einiger Regisseure wegen der angeblich zu pro-israelischen Haltung der deutschen Regierung als  ein schrilles  Begleitkonzert zum Film „No other Land“, in dem „Free Palestine“ Rufe ertönten und Israel als Apartheid-Staat  denunziert wurde.

Die deutschen Kinos werden in diesen Tagen wieder voller und erreichen nahezu Werte wie vor der Pandemie. Gleichzeitig  jedoch schrumpft der Marktanteil an deutschen Filmen. Deswegen ist man gespannt auf die von Kultur-Staatsministerin Claudia Roth geplante Reform der Filmförderung, also die Verteilung von 600 Millionen Euro für den am Tropf des Staates hängenden deutschen Film. Positiv sind vorgesehene Steueranreize für Produktionen, die ins Land gelockt werden sollen und andere neue Rahmenbedingungen der Förderpolitik.

Dass die grüne Kulturbeauftragte aber von Ideologie nicht lassen kann, zeigen inhaltliche „Vorgaben zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, einschließlich Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion“. Das atmet bürokratisierte Kunst nach Vorschrift, widerspricht dem Grundgesetz und ist kein großes Kino.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

- ANZEIGE -