In Leverkusen geht´s um die Wurst (3.Teil)
Ein knackiges 3-Euro-Erlebnis bei den „Chemikern“
Von Michel Stallkamp
Spitzt sich eine Situation zu und eine Entscheidung steht an, dann geht es umgangssprachlich „um die Wurst“. In ärmeren Zeiten war eine Wurst bei verschiedensten Wettbewerben sogar der Siegespreis. Sie symbolisierte Anerkennung und konnte gleichzeitig den Hunger stillen. Beim Fußball-Bundesligaclub Bayer 04 Leverkusen geht es für den Trainer Heiko Herrlich freilich in ganz anderer Weise um die Wurst. Nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte ist zweifelhaft, ob (oder wie lang noch) er weiter als Trainer mit dieser hochtalentierten Mannschaft um Siege kämpfen darf.
Über jeden Zweifel erhaben
Für mich geht es in der Bayarena nur um die Qualität der Stadionwurst, und die ist über jeden Zweifel erhaben. Sie ist eine dicke, helle Bratwurst von mittlerer Länge mit deutlicher und sehr ausgewogener Würzung. Ich habe angenehm subtile Röstaromen auf der Zunge. Im Biss ist sie fest und saftig. Das weiße Brötchen ist trotz des Dauerregens und der extrem hohen Luftfeuchtigkeit schön kross geblieben. Zusammen mit der Wurst ein knackiges Drei-Euro-Erlebnis. Senf, Ketchup oder andere Begleiter sind zur Hebung des Geschmacks vollkommen überflüssig.
Die besonders überzeugende Qualität des Grillguts passt zum übrigen Erleben. Die Verkaufspavillons sind hochwertig gestaltet und fügen sich sehr gut in die filigrane Architektur der Bayarena ein. Ihre Anzahl ist so großzügig bemessen, dass die maximal 30.210 Zuschauer ohne lange Wartezeiten beköstigt werden können. Die jungen Frauen und Männer hinter den Verkaufstheken sind auffallend freundlich und offensichtlich sehr gut geschult. Das Bezahlen mit der eigenen Geld- oder der Arenakarte funktioniert schnell und reibungslos. Ich erlebe eine sehr entspannte Atmosphäre. Es ist Familientag in der Bayarena, und stark reduzierte Eintrittspreise sowie Wettbewerbe im Torwandschießen, Dribbeln usw., sorgen dafür, dass sehr viele Kinder im ganzen Stadion herum wuseln und sich vor dem Anpfiff austoben können.
Wurst besiegt Nörgeln
Während des Spiels werden Vater oder Mutter immer wieder losgeschickt, um für den Nachschub an Würstchen und Getränken zu sorgen. Denn nach der anfänglichen Euphorie der Kinder, ihren Fußballhelden ganz nah sein zu können, lässt ihre Aufmerksamkeit nun stark nach. Auch das Toben fordert eben seinen Preis. Die Nörgelquote steigt dramatisch; hier und da legen Kleinere auch ein Nickerchen ein. Die Wurst wird wieder zum Siegespreis – fürs Durchhalten. So kann die Prägung der nächsten Generationen der Stadionbesucher gelingen: Zum Fußball im Stadion gehört halt eine Bratwurst. In meiner Tabelle der Bratwurstliga reiht sich die Stadionwurst in Leverkusen auf Platz zwei ein, knapp hinter München, weit vor Dortmund.
In der Saison 2001/2002 wurde Bayer 04 Leverkusen in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League jeweils zweiter. Lang, lang ist´s her. Zumindest wurden mal wieder drei Punkte gewonnen. Doch um wenigstens mal wieder „Vizekusen“ zu werden, ist es noch ein langet Weg.
tWird fortgesetzt