In den Sand gesetzt
Weirichs Klare Kante
Als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Lisa Paus eine Strategie gegen Einsamkeit entwickelt. Jetzt gerät das grüne Kabinettsmitglied, das sich als „Gesellschaftsministerin“ sieht, mit den Plänen für eine Kindergrundsicherung immer mehr selbst in die Isolation. Mit ihrem Entwurf für eines der – wie es heißt – „größten sozialpolitischen Projekte der Ampel“ hat sich die feministische Abgeordnete aus Berlin selbst so demontiert, dass das gesamte, bisher in Sand gesetzte Vorhaben für diese Legislaturperiode in Frage steht.
Die Ampel streitet sich über handwerkliche Fehler, der Bundesrat (die Vertretung der Länder also) hegt Zweifel an der Machbarkeit, die Bundesagentur für Arbeit weist vorsorglich daraufhin, dass mit der Umsetzung des Reformvorhabens 2025 wohl kaum noch zu rechnen sei. Dabei wollten die Grünen im Wahlkampf beweisen, dass sich ihre Kompetenz nicht allein auf das Klima reduziert.
Jetzt rächt sich, dass der Koalitionsvertrag zwar mit hinreichendem Pathos ausgeschmückt ist, aber keine Preisschilder für Reformen enthält und in den Inhalten kontrovers definiert wird. So ist die FDP bei der Kindergrundsicherung nur von einer Bündelung der Leistungen für den Nachwuchs bei Nutzung der Digitalisierung ausgegangen. Paus wiederum erblickt in dem Projekt den großen Entwurf zur Bekämpfung der Kinderarmut, sieht eine Bringschuld des Staates, die von gesonderten Familien-Services abgewickelt werden soll.
Dafür ist sie bereit, tief in die Taschen des Steuerzahlers zu greifen. Ursprünglich dachte sie an zwölf Milliarden Euro, 5 000 neue (also zusätzliche) Staatsbedienstete sollten die Aufgabe bewältigen. Finanzminister Lindner fand das alles „verstörend“, gestand seiner Kollegin gerade mal 2,4 Milliarden Euro zu, fand die Stellenausweitungen nicht hinnehmbar. Kurz, die FDP legte das Vorhaben in der Koalition auf Eis.
Paus hat gestörte Antennen. Sie merkte gar nicht, dass sie auch in ihrer eigenen Partei durch ihre Unfähigkeit, das Reformprojekt sachkompetent durchzusetzen und mit einer starken Kommunikation zu begleiten, immer mehr an Unterstützung verliert. In ihrer maßlosen Selbstüberschätzung blockierte sie sogar das Wachstumschancengesetz, verärgerte Wirtschaftsminister Habeck und musste zurückrudern. Rücktritt ist aber in der politischen Ampel-Kultur nach wie vor ein Fremdwort.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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