Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Zwei Drittel der Deutschen halten laut Umfragen die Rentenpolitik der Ampel-Regierung für gescheitert. Was die SPD freilich nicht daran hindert, einen „Rentenwahlkampf“ zu führen und dem CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz das Etikett sozialer Kälte anzuheften. Die CDU hat allerdings auch kein überzeugendes Konzept der Alterssicherung. Die notwendige Erhöhung der Lebensarbeitszeit gilt als unpopulär, wird daher abgelehnt.  Beide Parteien haben schlicht Angst vor der Macht älterer Wähler, setzen auf die Sorglosigkeit der Jungen.

 Dass das Rentenpaket 2 mit dem Bruch der Ampel im Papierkorb verschwindet, ist nicht weiter schlimm. Es missachtete nämlich demographische Fakten wie eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung ebenso wie die steigende Lebenserwartung und legte eine Haltelinie von 48 Prozent als Garantie für die Rentenerwartung bis 2040 fest. Nach Schätzung der Deutschen Rentenversicherung wird der derzeitige, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hälftig getragene Beitrag von 18,6 Prozent des Arbeitseinkommens bis 2035 bei 22 und bis 2040 bei 25 Prozent liegen. Die bedauernswerten Leistungsträger von morgen werden in der Abgabenflut ersticken.

Früher gab es noch die Garantie einer Haltelinie von maximal 40 Prozent für die gesamten Sozialbeiträge. Doch dieses Limit ist angesichts der expansiven Sozialausgaben längst aufgegeben worden. Die gezahlten Beiträge reichen ohnehin nicht aus. 112 Milliarden Euro fließen 2024 für die Rentensicherung in den Bundeshaushalt.

In der – vor allem in seiner eigenen Partei – heftig attackierten Agenda 2010 des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gerhard Schröder wurde ein die Demografie berücksichtigender  Nachhaltigkeitsfaktor zur fairen Aufteilung der Lasten auf Rentenempfänger und Beitragszahler festgeschrieben, von dem inzwischen nichts mehr zu spüren ist. Angesichts dessen fragt man sich: Wo bleibt eigentlich ein Aufstand der Jungen, vor allem in den Jugendorganisationen von SPD und Grünen.

Alle reden von der Sicherung der Nachhaltigkeit beim Klimawandel, kaum jemand spricht von Solidarität und Generationengerechtigkeit bei der Rente. Anfang des Jahrhunderts war man da schon weiter. Da gab es das Bemühen um eine interfraktionelle Bundestags-Initiative, die Generationengerechtigkeit in der Verfassung abzusichern. Wäre heute ein „Fridays for Pension“ nicht eigentlich die logische Antwort?

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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