Equal-Pay für Frauen-Power?
Von Günter Müchler

Deutschlands Fußball-Frauen machen momentan bei der Europameisterschaft in England Lust auf mehr. Ein Grund zur Freude für die Freunde des Frauen-Fußballs, besonders aber für ARD und ZDF. Nicht bloß, weil die Erfolge von Alex Popp & Co. ordentliche Einschaltquoten bringen. Die Öffentlich-Rechtlichen können sich bestätigt fühlen. Als selbsternannte NGO gleichsam die Speerspitze für Geschlechter-Fairness, haben sie die Europameisterschaft als Hauptaltar auserkoren, vor dessen Stufen sie allabendlich ihre Weihegeschenke pro „variety“ niederlegen. Keine Übertragung, in der nicht in hohem Ton für „Equal-Pay“ geworben würde – also monetäre Gleichstellung beider Geschlechter.
Die Männer mithin als Money-Maßstab für kickende Frauen: Selbst Olaf Scholz hat (zeitgemäß selbstverständlich auf Twitter) inzwischen bekundet, dass er auf der Seite des Guten steht. Schließlich ist Fußball nützlich für die Popularität, jedenfalls solange gesiegt wird. Schon Helmut Kohl quetschte sich einst in die Spielerkabine der Nationalmannschaft. Und auch Angela Merkel ließ sich bei der WM in Brasilien als „Muttivation“ inmitten schwitzender Ballsportler knipsen. Ein solches Live-Erlebnis wollte Scholz aber wohl nicht riskieren. Ein Kanzler- Besuch in der Damenkabine! Das hätte wohl den größtmöglichen Me-Too-Shitstorm ausgelöst. Also blieb der Kanzler auf einem Terrain, das ihm als SPD-Politiker vertraut ist: Er lieh dem Chorgesang von der Gleichheit – wenigstens digital – seine Stimme.
Kurz vor dem Anpfiff des Spiels am vergangenen Dienstag (12. 6.) gegen Spaniens Kicker-Damen twitterte Olaf Scholz: „Wir haben 2022“. Es sei an der Zeit, ließ der Künder der „Zeitenwende“ wissen, Frauen im Fußball genauso zu bezahlen wie Männer. Speziell in der Nationalmannschaft. Und der Herr im Kanzleramt setzte noch eins drauf, eine Mahnung an den Deutschen Fußballbund. Der solle sich Spanien zum Vorbild nehmen. Glücklicherweise lehnte das die Elf von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg dankend ab. Sie schickte die iberischen Gleichheits-Vorbilder unbeeindruckt mit 2 : 0-Toren vom Platz.
Den DFB in die Wade zu treten, ist keine Mutprobe. Durch Skandale und Ungeschicklichkeiten bietet sich die oberste Instanz des deutschen Fußballs für ein hartes Tackling ja geradezu an. Nur sollten die Vorwürfe stimmen. Richtig ist: In Spanien erhält die Frauennationalmannschaft für einen Turniersieg die gleiche Prämie wie das Team der Männer. In Deutschland ist das in der Tat (noch) nicht der Fall. Die Prämie ist vom DFB inzwischen aber immerhin auf 60 000 Euro angehoben worden. Richtig ist auch: In Spanien wurde für die Frauen-Profis per Tarifvertrag ein Mindestlohn von 16 000 Euro jährlich ausgehandelt. Herausragend ist das freilich nicht. In Deutschland kassieren die Frauen der Top-Liga ohne Tarifvertrag im Schnitt pro Jahr 43 000 Euro! Sie liegen damit weltweit an zweiter Stelle hinter Frankreich mit 49 000 Euro und deutlich vor Spanien.
Deutschland steht also im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da. Der Hype der EM dürfte zudem den Stellenwert des Frauenfußballs hierzulande weiter stärken – ein gutes Abschneiden vorausgesetzt. Benchmark ist und bleibt auf jeden Fall die Attraktivität des Angebots. Die Fortschritte, die hier in den vergangenen Jahren erzielt wurden, sind beachtlich. In puncto Technik und Taktik ist man deutlich vorangekommen. Die Zeiten, in denen die weibliche Nationalelf gegen die Dritte Herrenauswahl der Faröer-Insel zuverlässig eine Klatsche bekommen hätte, gehören der Vergangenheit an.
Trotzdem ist das Gefälle zum Männerkick nach wie vor groß. Man darf hier ruhig seinen Augen trauen. Sportreporter von ARD und ZDF tun das nicht. Sie folgen herdenmäßig der „Diversity“-Linie ihrer Anstalten, scheuen den Vorwurf des Sexismus und machen ihren Zuschauern ein X für ein U vor. Dem Frauenfußball erweisen sie damit einen Bärendienst. Denn das aufdringliche Schönreden verdirbt den Spaß. Man schaltet schließlich eine Sportsendung nicht ein, um sich über die Ungerechtigkeiten der Welt belehren zu lassen.
Sport ist nun einmal Unterhaltung, die Attraktivität regelt den Marktwert. Niemand müsste das eigentlich besser wissen als die Intendanten. Kein Einkäufer im Öffentlich-Rechtlichen käme auf die Idee, Übertragungsrechte für die Meisterschaften im Rhönradfahren zu erwerben, so schön und akrobatisch-anspruchsvoll diese Sportart auch ist. Für die Rechte an der (Männer-)Fußball-Bundesliga blättern sie dagegen seit Jahr und Tag viele Millionen auf den Tisch. Das Reporter-Gerede von „Equal-Pay“ wirkt vor diesem Hintergrund wie Heuchelei, frei nach Heinrich Heine, „sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser“.
Es gibt Gründe, weshalb der Frauenfußball in der Publikumsgunst Nachholbedarf hat. Der professionelle Betrieb ist noch jung. Außerdem spielt im Fußball die Physis eine besondere Rolle, Frauen haben hier einen Nachteil. Der könnte aufgewogen werden könnte z.B. durch Spielverständnis oder dadurch, dass Frauen auf dem Rasen nicht so unerträglich meckern, nicht so unsäglich Theater spielen und nicht so hemmungslos auf das Grün rotzen wie Männer. Aber das Aufholen braucht Zeit.
Von Olaf Scholz ist nicht bekannt, dass er jemals als Schlachtenbummler des OSC gesichtet worden wäre, des Frauenfußballclubs seiner Geburtsstadt Osnabrück. So wie die Fußballfans ganz allgemein wohl noch eine Weile lieber zu Männerspielen ins Stadion gehen. Die Zahlen sprechen da eine eindeutige Sprache: Partien der Männer-Bundesliga besuchten in der Saison 2021/22 (unter Berücksichtigung von Corona) durchschnittlich 21 000 Zuschauer, Partien der Frau-Bundesliga im Schnitt nur 800.
Dass weniger Geld im Frauen-Fußball mit Diskriminierung nichts zu tun hat, beweist im Übrigen die Entwicklung in anderen Sportarten. Überall dort, wo Frauen sich auf demselben Attraktivitätslevel bewegen wie Männer – etwa im Tennis, beim Biathlon, im alpinen Skisport oder in der Leichtathletik – ist „Equal Pay“ kein Thema. Gleiches kann eben nur mit Gleichem verglichen werden. Das sollten auch Sportreporter verinnerlichen, statt ständig in die Vuvuzela angeblicher Diskriminierung zu blasen. Allzu viel kann man sich freilich wohl nicht erhoffen. So wie der Zeitgeist weht, ist die Forderung nach abstrakter Gleichheit ein Selbstläufer.
Auch DFB-Funktionäre schrecken vor keiner Torheit zurück. Man müsse „den Markt dahingehend entwickeln, dass auch höhere Gehälter gezahlt werden“ könnten, erklärte dieser Tage Sabine Mammitzsch, Vizepräsident des DFB. Nun wird der Markt aber nicht von wohlfeilen Parolen „entwickelt“, sondern von Angebot und Nachfrage. Real denkende Akteurinnen wie Laura Freigang haben das erkannt. Die Nationalspielerin, die gegenwärtig bei Eintracht Frankfurt ihr Geld verdient, urteilte jüngst in einem Zeitschriften-Interview nüchtern, man könne „kein Geld bekommen, das wir nicht einbringen“. Dem müsste auch Olaf Scholz beipflichten. Eigentlich.
Dr. Günther Müchler ist Journalist, Politik- und Zeitungswissenschaftler, war viele Jahre Korrespondent in Bonn und zum Schluss Programmdirektor beim Deutschlandfunk.
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