Klein aber fein – das Siebengebirgsmuseum von Königswinter

Blick auf den Drachenfels bei Königswinter ©seppspiegl

Ob weinselig oder auch nur einfach fröhlich, ob als Chorgesang oder im Duett – wie oft wohl ist in den unterschiedlichsten musikalischen Formen die Frage gestellt worden, warum es am Rhein so schön sei? Und gewiss keineswegs erst, seit der Kölner Steinmetz und Dichter volkstümlicher Lieder, Gerhard Ebeler, diesen rheinischen Ohrwurm 1929 zu Papier gebracht hat. Der mächtige Strom und die grandiose Landschaft vor allem im Mittelrheintal zwischen Mainz und Bonn haben schon sehr früh, vor allem aber vom Beginn des 19. Jahrhunderts an, patriotische Dichter, romantische Maler, Dramaturgen und Schriftsteller, Schöpfer schwärmerischer Balladen sowie fantasievoller Märchen und Sagen begeistert und zu künstlerischen Höchstleistungen angeregt. Wer kennt die Zahl und nennt die Namen der Burgen und Plätze mit atemberaubenden Aussichten südlich und nördlich der Loreley? Und ein Fleck fehlt bei alledem fast nie – das Siebengebirge mit dem dominanten Drachenfels und der oben drauf thronenden Ruine, nur einen Steinwurf entfernt von der einstigen Bundeshauptstadt Bonn.

Zu Unrecht im Schatten

Museumsleiter Elmar Scheuren vor dem Altbau des Museums ©seppspiegl

Genau zu Füßen dieser einst von Vulkanen geschaffenen Hügel liegt das malerische Städtchen Königswinter. Und dieses, wiederum, beherbergt in einer der schmalen Gassen zwischen Rheinpromenade und „City“ ein ebenso kulturelles wie geschichtsträchtiges Kleinod – das (wie könnte es auch anders heißen) „Siebengebirgsmuseum“. Freilich, obwohl längst ein Geheimtipp unter Kennern, führt es im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit fast ein Schattendasein angesichts der übermächtigen Bonner Konkurrenz mit der bekannten Museumsmeile und dem Arp-Museum von Rolandseck. Zu Unrecht. Denn was sich in Königswinter präsentiert, ist kein verstaubter Musentempel und hat auch nichts gemein mit einem jener herkömmlichen Heimatmuseen, wie man sie vieldutzendfach  kennt.  Und das wissen die Macher und Verantwortlichen in diesem verborgenen Musentempel natürlich auch. Würde sonst über der Eingangstür der Spruch prangen: „Das schönste Museum der rheinischen WELT Ausstellung“? Da ist gewiss ein humorvolles Augenzwinkern dabei, aber ebenso eine gute Portion berechtigtes Selbstbewusstsein.

Museumsleiter Elmar Scheuren vor der Kulisse des Siebengebirges ©seppspiegl

Gleich in der Eingangshalle zieht ein großes Foto an der hinteren Wand automatisch die Blicke der Besucher auf sich. Und nicht nur das – es weist inhaltlich zugleich auf die besonderen Schwerpunkte des Museums hin. Das Bild zeigt das Panorama des Siebengebirges und scheint damit sagen zu wollen: „Hallo, ihr möchtet  wissen, warum es am Rhein so schön ist? In mir seht ihr die Antwort. Und nun taucht ein in die Geschichte der Landschaft, in die Kunst, die Romantik mit Literatur und Malerei, aber auch in die Wirtschaft sowie die auch hier nicht spurlos vorüber gegangenen Höhen und Tiefen der Politik“. Seit 30 Jahren leitet der aus Mayen in der Eifel stammende Historiker und Romanist Elmar Scheuren mittlerweile das Siebengebirgsmuseum. Wobei die zwei Schwerpunkte seiner Arbeit und der seines Teams unübersehbar sind –  erstens das breit gefächerte Thema Rheinromatik,  und zweitens die Landschaft mit ihren Veränderungen im Verlaufe der Zeiten.  

Die Sammlung RheinRomantik

Blick in die Ausstellung Rheinromantik ©seppspiegl

Die in Königswinter präsentierten Sammlungen beweisen einmal mehr, dass wahre Bedeutung keineswegs unbedingt von räumlicher oder zahlenmäßiger Größe bestimmt wird. Den Beleg dafür liefert die seit der letzten Erweiterung 2011 neu gestaltete Dauerausstellung mit Bildern vom Strom, seinen Menschen und Landschaften aus dem 19. Jahrhundert. Sie gehört, ohne Zweifel, mit zum Bedeutendsten, was die deutsche Kunstszene auf diesem Gebiet vorzuzeigen hat. Wobei der Begriff „Dauerausstellung“ durchaus  deutungsbedürftig ist. Denn die Exponate werden zweimal im Jahr ausgewechselt und jeweils unter ein neues Motto gestellt. Es ist ein Glücksumstand: Seit 2011 existiert nämlich eine Kooperation des Siebengebirgsmuseums mit der in Bonn ansässigen „Sammlung RheinRomantik“, aus deren rund 500 Bilder umfassendem Fundus sich die Königswinterer bedienen dürfen.

Was sich da dem Betrachter bietet, ist schon ziemlich einmalig. Der Rhein war zu Beginn des vorvorigen Jahrhunderts für eine neue Generation von Künstlern die Quelle ihrer Inspiration. Das Licht des Rheintals, die steilen Felsen und Burgruinen, die Sagen und Märchen – dies alles hat das Bild der damaligen Zeitgenossen  geprägt. Berühmte Künstler der Düsseldorfer Malerschule wie Andreas und Oswald Achenbach, Josef Wilhelm Schirmer oder Carl-Friedrich Lessing gehören ebenso zur Sammlung RheinRomantik (und somit auch zum „Schatz“ des Museums) wie die Koblenzer Biedermaier-Maler Jakob und Anton Diezler oder englische Aquarellisten wie David Roberts und Henry Bright.

Kunst-Cocktail mit  Cognac

Auf reichhaltige Literatur, Erzählungen und Gedichte über den Rhein, kann der Museumsbesucher zugreifen ©seppspiegl

Im Übrigen wird in der Königswinterer Kellerstraße demonstriert, wie gut  museales Ausstellungsgeschick grenzübergreifende Sujets miteinander verbinden und neue Kombinationen entstehen lassen kann. Gemeint ist die aktuelle, zusammen mit dem Kunst- und Geschichtsmuseum der französischen Partnerstadt Cognac bestückte Sonderschau, in der zeitlich und thematisch vergleichbare Werke der Rhein-Landschaft und des westfranzösischen Flusses Charente präsentiert werden. Ein wahrer Kunst-Cocktail, bildlich gesprochen aus Rheinwein und Cognac.  Indessen – was wäre eine Hommage an den Rhein, würde nicht auch die breite Palette der Literatur mit einbezogen! Und keineswegs nicht nur die sehnsuchtsvoll-romantische mit Heinrich Heine und seiner Loreley. War der mächtige Strom doch über Jahrhunderte häufig genug Gegenstand  gewaltsam ausgetragener politischer Machtansprüche zwischen Deutschland und Frankreich. Wie kaum etwas anderes symbolisierte der Fluss vor allem im 19. Jahrhundert das Nationalgefühl bis hin zum überbordenden Patriotismus. Ob Ernst Moritz Arndt den Rhein als „Deutschlands Strom, niemals Deutschlands Grenze“ besang, ob Nikolaus Becker den Franzosen entgegenschleuderte „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“ – sie und zahllose andere Schriftsteller sind natürlich im Siebengebirgsmuseum präsent.

Man sollte schon etwas Zeit mitbringen, wenn man das Museums-Ensemble um den schönen Zentralbau (ein barockes Haus von 1732) betritt. Denn fesselnd sind nicht nur die in der Tat oft einzigartigen Gemälde. So würde es gewiss die durch das wunderbare Laubgehölz des Siebengebirges streifenden Wanderer erstaunen, zu erfahren, dass diese prächtige Natur keineswegs immer bewaldet war, sondern die Aufforstung zurückgeht auf die im Rheinland noch immer gern als „Besatzer“ empfundenen Preußen erst im 19. Jahrhundert. Die Veränderung einer Landschaft im Lauf der Zeiten – ein zweiter Schwerpunkt der Museumsarbeit in Königswinter. Das entsprechende Ausstellungstableau erstreckt sich von den römischen Steinbrüchen im Siebengebirge über die Materialgewinnung für den Bau des Kölner Doms bis hin zum einst florierenden Gewerbe der Backöfen-Bauer noch im 20. Jahrhundert.

Karl May und die Weinkarte  

Schriftsteller Karl May

Es ist gewiss kein Zufall, dass dem Besucher beim Streifzug durch die auf drei Stockwerken verteilten Ausstellungsräume mit ihren Exponaten und Erklärungen jener Passus aus dem „Teufels General“ des aus dem rheinhessischen Nackenheim stammenden Dramatikers Carl Zuckmeyer in den Sinn kommt, der von dem mächtigen Strom als der „großen Völkermühle“ und der „Kelter Europas“  spricht und dabei nicht an Pathos spart: „Vom Rhein – das heißt vom Abendland. Das ist natürlicher Adel“. Nicht ganz so inbrünstig, aber doch durchaus auch mit deutlicher innerer Sympathie hatte sich vor fast 100 Jahren ein anderer Schriftsteller in dem Rheinstädtchen am Fuße von Drachenfels und Petersberg verewigt – Karl May, der Schöpfer von Winnetou und Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar. Der phantasiebegabte sächsische Autor machte im Juni 1897 mit seiner Frau Emma auf der Fahrt von Köln nach Mainz in Königswinter Station und schrieb auf die Rückseite der Weinkarte im „Gasthof zum Drachenfels“ folgendes kleine Gedicht:

Zur Erinnerung an den schönen Pfingstsonntag des Jahres 1897

Es giebt am schönen Rhein ein liebes Nest,

Das hält mein Herz und meine Seele fest.

Wie sind die Menschen dort gut und traut,

Weil dort aus jedem Aug´ das Deutschtum schaut.

Daß ich bei solchen Leuten durfte sein,

das wird für mich stets Gedenken sein.

Königswinter                 Dr. Karl May.

Weinkarte und Gedicht sind nicht Teil der Ausstellung. Aber das Siebengebirgsmuseum ist im Besitz des Originals.

Gisbert Kuhn

Zum Titelfoto: Bei den Ausschachtungsarbeiten für den Erweiterungsbau des Siebengebirgsmuseums stießen Bauarbeiter auf dieses gut erhaltene Spatenblatt – eine archaologische Sensation. Seine Dimension scheint zur Bewegung größerer Mengen Erdreich geeignet, wie zum Beispiel das Versetzen von Bergen. (Ist natürlich nur ein Gag).

 

Info:

Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter

Kellerstraße 16

53639 Königswinter

Tel: 02223 3703

e-mail: info@siebengebirgsmuseum.de

Internet: www.siebengebirgsmuseum.de

Öffnungszeiten:

Di. – Fr. 14 – 17 h

Sa. 14 – 18 h

So. 11 – 18 h

Für Gruppen auch nach Vereinbarung

Offene Führungen: Jeden Sonntag 12 h

Eintritt:

Erwachsene   4 €

Ermäßig   2,50 €

Familienkarte   8 €

Kinder im Vorschulalter frei

 

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