Von Dieter Weirich

Matthias Zimmers (CDU) Erstling „Morandus“ zeugt von beachtlicher Erzählkunst

Matthias Zimmer, Foto: Alexander Paul Englert

In seinem Buch über das „Hohe Haus“ hat Roger Willemsen diese Bundestagsrede über die Grenzen des Wachstums in seinem Buch als ein „philosophisches Glanzstück“ gewürdigt. Nachdem er im Januar von seinem Frankfurter Wahlkreis nicht mehr als Kandidat für den nächsten Bundestag aufgestellt wurde, entpuppt er sich nun als ein ebenso ausdrucksstarker wie einfühlsamer Romancier. Die Rede ist von Matthias Zimmer, Politiker, Publizist und Hochschullehrer. Der 60 Jahre alte CDU-Bundestagsabgeordnete aus Frankfurt, der bisher nur sachliterarisch mit Werken zur sozialen Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit als Prinzip der Soziallehre und „alten Werten in neuer Zeit“ in Erscheinung getreten ist, legt jetzt seinen ersten Roman mit dem Titel „Morandus“ vor und fesselt mit einer erzählerischen Kunst, die sein Debüt in diesem Sujet bemerkenswert macht.

Mit Humor und Tiefgang

Zimmer ist ein origineller Kopf. Man kann mit ihm kultivierte Gespräche mit Tiefgang führen, sein Humor macht Kontroversen erträglich, er ist in der CDU ein profilierter Linker, den jüngsten Verlust seines Mandates durch eine Niederlage bei der Nominierung des Wahlkreiskandidaten erklärt er damit, dass „er für die Merkel-Ära in Mithaftung genommen wurde“.

Dass  er jetzt die Stilform des Romans gewählt hat, begründet Zimmer damit, dass „man manche Dinge erzählen muss, weil sie für eine wissenschaftliche  Arbeit zu kompliziert sind. Schließlich sind wir doch alle in Geschichten verstrickt“. Die Dialoge zwischen dem in der Nachkriegszeit nach Kanada ausgewanderten, sehr erfolgreichen Bauunternehmer Ernst Funk und seinem langjährigen Freund Landau, einem aus Wien emigrierten Hochschullehrer, der eine wissenschaftliche Studie über deutsche Emigranten sowie Fragen von Identität und Multikulturalismus gestartet hat, sind ein spannungeladener Ausflug in unsere nie vergehende Vergangenheit, des Menschen ständiger Wegbegleiter.

Liebe in Besatzungszeit

Es ist zugleich eine Geschichte über die Unsterblichkeit der Liebe, festgemacht an einer jungen Französin, die während der Nazi-Besatzungszeit als Widerständlerin hingerichtet wurde. Ein für den verliebten Funk schockartiges Erlebnis, das ihn über Jahrzehnte verfolgte, das er zu verdrängen versuchte und das in den Gesprächen mit Landau plötzlich wieder freigelegt wurde.

Seine Jugendliebe nannte ihn Morandus, weil er am 3. Juni geboren wurde.  Ein katholischer Mentor in seiner Jugendzeit hatte ihn so gerufen. Morandus war ein Mönch, bei den Katholiken ein Patron des Hauses Habsburg, aber auch der Winzer und des Weins sowie ein Schutzheiliger gegen Besessenheit.

Streifzug durch die Geschichte

„Vergangenheit und Gegenwart sind nur durch einen Wimpernschlag voneinander getrennt. Jeden Moment kann die Vergangenheit in uns einbrechen und Vergessenes freilegen“ heißt es in der Einleitung der Erzählung. Von solchen Gefühlen getragen, reist Morandus als über 60-Jähriger an die Orte des Geschehens, die seit mehr als vier Jahrzehnten auf ihm lasten. Dort werden ihm glückhafte Erinnerungen zuteil.

Zimmers Roman ist zugleich ein Streifzug durch die deutsche Geschichte während der Nazi-Diktatur, des Zweiten Weltkrieges und der Jahre der Nachkriegszeit, die Landau und Funk nach Kanada führten. „Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung“ heißt eine jüdische Weisheit. Dem Autor ist es gelungen, Leser für diese Reminiszenzen an den Tisch zu bitten.

Matthias Zimmer „Morandus“

Roman, 240 Seiten

24 Euro

Edition Faust Frankfurt 2021

ISBN 978-3-945400-89-0

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