Die demokratischen Säulen geraten ins Wanken (III und Ende)
Nicht Volksabstimmungen, sondern Wirtschaftserfolge stabilisieren das System
Von Wolfgang Bergsdorf
Der folgende Artikel wurde vor den dramatischen Ereignissen in Washington verfasst. Also bereits vor der kurzzeitigen Erstürmung des Capitols durch fanatisierte Anhänger des amerikanischen (Noch)Präsidenten Donald Trump. Umso aktueller ist der Text, in dem dargelegt wird, wie verletztlich die Demokratie und ihre Werte sind, wenn diese nicht von den Bürgern selbst geschätzt und verteidigt werden (d. Red.)
Jahrzehntelang war, nach den Erfahrungen von Nazi-Diktatur und Kriegskatastrophe besonders bei den Deutschen, das demokratische Politiksystem unumstritten. Das gilt, nach den Ergebnissen der Meinungsforscher, im Großen und Ganzen noch immer. Aber die Zustimmung schwindet. Nicht nur in Deutschland. Und gleichzeitig wird erkennbar, dass der Ruf nach den so genannten „starken Männern“ wieder lauter wird. Putin, Erdogan, die chinesische Führung, aber auch Orban in Ungarn und Kaczynski in Polen – ihre Popularität wächst. Menschenrechts-Verletzungen hin, innenpolitische Zustände her. Steuert die Demokratie demnach einer Krise entgegen?
Wenn der Blick auf die Demokratien insgesamt gerichtet wird, dann erkennt man, dass sie einige gemeinsame Voraussetzungen aufweisen. Als erstes fällt der vollzogene Abschluss der Staatsbildung ins Auge und in seinem Gefolge die Nationsbildung. Das heißt, es gab in diesen Ländern stabile Institutionen gemeinsamer Handlungsfähigkeit und damit eine belastbare, kollektive Identität. Als zweites ist die Herausbildung einer Rechtskultur zu nennen, die alle Machtkonflikte einer Verrechtlichung – also des Verzichts auf Gewalt – unterwarf. Und drittens: Nur als säkularer, in Glaubensfragen neutraler, Staat kann ein moderner Staat, eine Demokratie werden.
Politik ohne religiöse „Vormundschaft“
Dazu muss die Religion die Politik aus der Vormundschaft entlassen. Das Christentum hat es sich mit dieser Entlassung nicht leicht gemacht. Es bedurfte im Falle der katholischen Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils, damit der Trennung zwischen Religion und Staat von der Kirche positive Seiten abgewonnen werden konnten. Das ist einer „der Beiträge des Christentums, nicht der einzige, zur Entstehung jener kulturellen Konstellation, die die europäisch-atlantische Demokratie der Moderne möglich gemacht hat“, urteilte der Mannheimer Politikwissenschafler Peter Graf Kielmannsegg.
Wenn der Blickwinkel erneut verändert wird und die Wahrnehmung und Wertung der Demokratie hierzulande in den Fokus genommen wird, dann gibt es aus Meinungsumfragen keine Alarmsignale großer Unzufriedenheit mit der politischen Ordnung. Im Gegenteil. Das politische Interesse der Bevölkerung ist deutlich gestiegen und auch seine Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement. Das sind günstige Rahmenbedingungen für eine demokratische Zukunft. Und diese dürften auch die Suche nach neuen Möglichkeiten der politischen Teilhabe befördern. Als erstes bietet sich hier der Einbau von plebiszitären Elementen (also Volksabstimmungen) in unser repräsentativ-demokratisches Modell an. Vorbilder für solche Vorschläge sind die Schweiz, aber auch die Vereinigten Staaten von Amerika.
Grundlegende Richtungsentscheidungen
Hierüber gibt es eine ganze Bibliothek an Literatur von Befürwortern und Kritikern des Plebiszits. Hier soll nur kurz daran erinnert werden, dass – ausweislich der jeweils aktuellen Demoskopie – alle grundlegenden Richtungsentscheidungen der Bundesrepublik einer Volksgesetzgebung zum Opfer gefallen wären. Gegen eine Mehrheit der Bürgermeinungen hätte es keine Westorientierung gegeben, wäre die Soziale Marktwirtschaft nicht eingeführt worden, hätte die Wiederbewaffnung nicht stattgefunden, auch die Ostpolitik hätte keine Chance bekommen. Das gleiche gilt für den NATO-Doppelbeschluss hinsichtlich einer Raketenstationierung, den Ausstieg aus der Kernenergie und die Abschaffung der Wehrpflicht. Mit Plebisziten hätte die Nachkriegsgeschichte Deutschlands einen total anderen Verlauf genommen.
Der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein macht darauf aufmerksam, dass die politische Verantwortung von Öffentlichkeit lebt. Deshalb müssten staatliche Entscheidungsprozesse grundsätzlich öffentlich ablaufen. Demgegenüber entscheidet der bei einer Volksabstimmung zur Stimmabgabe berufene Bürger in der Wahlkabine unter dem Schutz des Wahlgeheimnisses. Er entscheidet, genau wie der gewählte Mandatsträger, über ein Sachproblem. Aber er entscheidet, anders als dieser, in aller Heimlichkeit. So entzieht „die Volksgesetzgebung die Herrschaft der Kontrolle der Öffentlichkeit. Der Abstimmungsbürger ist niemandem verantwortlich als sich selbst. Niemand kann ihn durch Abwahl zur Rechenschaft ziehen“ (Peter Graf Kielmansegg).
Das britische und italienische Beispiel
2016 wurden in Großbritannien und in Italien Volksabstimmungen durchgeführt, deren Ergebnisse die Initianten mit ihrem persönlichen Schicksal verbanden. Sowohl Premierminister David Cameron in London als auch Ministerpräsident Matteo Renzi in Rom mussten ihre Hüte nehmen, weil es ihnen nicht gelang, die Wahlkämpfe vor den Plebisziten auf das zur Abstimmung gestellte Thema zu konzentrieren. Völlig andere, vor allem parteipolitische Dinge und Desinformationen sorgten für den Brexit wie auch für die Ablehnung der italienischen Verfassungsreform. Es ist kurios, dass die politisch Verantwortlichen in Großbritannien, dem Mutterland der repräsentativen Demokratie, die Mechanismen des Parlamentarismus beiseite schoben, um eine entscheidende Frage, nämlich die Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union, einer Volksabstimmung zu überlassen.
Vorbild Schweiz
Natürlich können Plebiszite auch sinnvoll sein. Das zeigt immer wieder die Schweiz. Dort ist allerdings das politische System auf Volksabstimmungen zugeschnitten, denn alle Parteien bilden nach der in Wahlen gemessenen Stärke die Regierung. Das Volk bildet sozusagen die Opposition und behält sich in Plebisziten die Entscheidungen vor. Neben den deshalb wenig überzeugenden Vorschlägen zur plebiszitären Anreicherung der Demokratie plädierte der amerikanische Politikwissenschaftler Philippe C. Schmitter 2003 für eine Transformation der liberalen Demokratie zu einer postliberalen Demokratie. Sein Konzept basiert auf der Ansicht, dass die liberale Demokratie nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes selbst unter Legitimationsdruck geraten sei, in dem nun ihre Leistungsdefizite und Schwächen offener diskutiert werden könnten.
Schmitters Ideen zur postliberalen Fortentwicklung der Demokratie erinnern an Benjamin Barber von der Universität Maryland und dessen These von der „starken Demokratie“ oder an der sogenannten deliberativen Demokratie. Darin wird auf die Forderung abgestellt, neue Vermittlungsformen zwischen Regierenden und Regierten zu finden. Denn die liberale Form der Demokratie habe immer häufiger zu einem Reformstau geführt, der wiederum Politikverdrossenheit erzeuge. Der Regensburger Politikprofessor Oliver Hidalgo (2006) stellt eine Liste der Vorschläge für eine postliberale Demokratie zusammen:
- das Demokratieprinzip wird auf private Formen der Wirtschaft und die Interessenverbände ausgedehnt;
- die neuen digitalen Möglichkeiten werden genutzt, um die Bürgerbeteiligung an der politischen Willensbildung zu erweitern;
- virtuelle Wählerschaften werden eingerichtet, das heißt, jeder Bürger wird Mitglied in einem Fachausschuss, der mit echten Mitspracherechten ausgestattet ist;
- Repräsentationsgutscheine werden ausgestellt, mit denen Bürger entscheiden, welche Regierungsprojekte und Institutionen sie mit einem Teil ihrer Steuerschuld konkret unterstützen;
- periodisch stattfindende Bürgerversammlungen werden organisiert, die sich der Prüfung von Gesetzen widmen;
- neue Rechtsfiguren wie die universelle Staatsbürgerschaft werden fixiert, die jedem Staatsbürger vom Zeitpunkt der Geburt an ein Wahlrecht zugesteht, das von den Eltern ausgeübt wird;
- ein zwischenstaatlicher Austausch von Repräsentanten wird vereinbart;
- schließlich werden Ideen zur grundlegenden Reform der Parteienfinanzierung.
Verschiebung der Macht?
Ob diese Vorstellungen für eine postliberale Demokratie tatsächlich verwirklicht werden können, ohne auf die Errungenschaften der liberalen Demokratie zu verzichten, kann bezweifelt werden. Jedenfalls würde der Rechtsstaat oder das Repräsentativsystem grundlegend verändert. Auch die Vorschläge einer Modifikation des Wahlrechtes zur Stärkung der Erststimme und der Absenkung des aktiven Wahlrechtes auf 16 Jahre wollen die Attraktivität des demokratischen Modells stärken. Denn diese Ordnung – das sagen ihre Verteidiger ebenso wie ihre postliberalen Kritiker – ist besser als jedes andere System geeignet, politische Entscheidungsprozesse durchsichtig und effizient zu organisieren.
Der französische Politikwissenschaftler Pierre Rosanvallon (2016) seziert die Krise der Demokratie als eine Verschiebung der Macht von der Legislative zur Exekutive. Er glaubt, eine dramatische Schwächung des Parlamentes in den vergangenen Jahren festgestellt zu haben. Die Wahlkämpfe fokussierten sich auf eine bloße Bestätigung durch die Wähler und reduzierten die Beteiligung der Bürger auf ein Minimum. Eine „gute Regierung“ sei hingegen daran zu erkennen, dass sie Raum für Mitgestaltung, Diskussion und Überprüfung ihrer Entscheidungen durch die Bürger nicht nur zulasse, sondern einfordere.
„Zurück in die Antike“
Der flämische Historiker David van Reybrouck hat ein Demokratiemüdigkeitssyndrom entdeckt und 2016 ein heftiges Plädoyer „Gegen Wahlen“ geschrieben. Er versucht darzulegen, warum Wahlen nicht demokratisch sind und plädiert für die Rückkehr zu einem Losverfahren, das in der Antike, aber auch in der italienischen Renaissance für eine Stärkung der Demokratie gesorgt habe. In seiner Argumentation bezieht er sich auf Montesquieu, aber auch auf Rousseau und spricht sich für ein gemischtes Verfahren aus: Eine Kammer von ausgelosten Politikern könne die gewählten Repräsentanten des Parlaments ergänzen und den Abstand zwischen Regierenden und Regierten verkleinern.
Noch einen Schritt weiter geht der amerikanische Politikwissenschaftler Jason Brennan 2017, der das allgemeine und gleiche Wahlrecht abschaffen will, um es durch ein Wahlrecht nur für die Wissenden zu ersetzen. Das ist sein Resümee aus jahrelanger Beschäftigung mit den politischen Kenntnissen amerikanischer Wähler. Deren Mehrheit wisse nicht, gegen wen die USA im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben oder ob die Sowjetunion der NATO angehört habe oder nicht. Noch unwissender als die Wähler seien die Nichtwähler, weshalb es zu begrüßen wäre, dass sie sich an der Wahl nicht beteiligten. Dieser Vorschlag zur Abschaffung des gleichen Wahlrechts erscheint natürlich absurd. Seine Begründung verlangt aber gleichwohl erhöhte Aufmerksamkeit für neue Anstrengungen zur politischen Bildung, und Brennan liefert auch eine Erklärung für das Ergebnis der amerikanischen Präsidentenwahl.
Kein Patentrezept zu erkennen
Es gibt also eine Vielzahl von Anregungen, um die Legitimität und Effizienz der Demokratie zu steigern. Ein Patentrezept ist in dieser Liste der Verbesserungen allerdings nicht zu erkennen. Einige Vorschläge erscheinen sogar destruktiv. Aber die Diskussion über sie ist eine wirksame Methode, sich ernsthaft der Elemente der repräsentativen Demokratie zu vergewissern und so auch neues Engagement für sie auszulösen.
Demokratische Politik steht unter dem Diktat der Gegenwart. Entsprechend der Systemlogik entwickelt sie eine weitgehende Zukunftsblindheit, weil ihr Blick bloß immer auf die nächste Wahl gerichtet wird. Zukunftsorientiertes Handeln hat es schwer. Peter Graf Kielmannsegg urteilt in diesem Zusammenhang unmissverständlich: „Ein gravierender Aspekt der Zukunftsschwäche ist die Tendenz der Demokratie, sich über die Grenzen des Verantwortbaren hinaus zu verschulden. Hart formuliert: Mit von der Zukunft geliehenem Geld Stimmenkauf zu betreiben.“ Politische Führung in der Demokratie hat deshalb dringend die Aufgabe, mit Zukunftsentwürfen um Zustimmung zu werben.
Kein Mangel an Zukunftsaufgaben.
An Zukunftsaufgaben mangelt es nicht. Einige seien hier genannt.
– Erste Aufgabe ist, die Folgen der Globalisierung zu bewältigen und sie demokratieverträglich zu gestalten. Das bedeutet, übernationale Einrichtungen (wie die Vereinten Nationen) weltweit, aber auch regionale Institutionen zu stärken. Die allermeisten europäischen Demokratien haben sich für die Europäische Union entschieden, deren demokratische Substanz verbreitert werden muss.
– Zweitens werden die Demokratien auch als Folge der Globalisierung weiterhin unter einem erheblichen „Migrationsdruck“ stehen. Solange es nur eines Klicks auf einem Smartphone bedarf, um die Lebenschancen in Europa kennenzulernen, wird es eine erhebliche Zuwanderung aus dem Süden geben. Migration bedeutet ethische, sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfalt. Damit zurechtzukommen, verlangt erhebliche Anstrengungen von allen Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft. Freilich sind bi Weitem nicht alle sind bereit, diese aufzubringen.
– Drittens werden Demokratien wie bisher auch künftig unter einem erheblichen ökonomischen Wettbewerbsdruck stehen. Denn von ihnen wird mehr als von autoritären Systemen erwartet, das Wohlstandsniveau ständig zu steigern, um Ressourcen für den sozialen Ausgleich zu finden.
– Viertens werden die Demokratien als Folge ihres vergleichsweise hohen Wohlstandsniveaus unter demografischen Druck geraten. Mehr alte Menschen bedeuten indessen stärkere Anpassungsprozesse und neue Verteilungsmuster.
– Fünftens dürfte unser Jahrhundert unter dem Diktat der existenziellen ökologischen Herausforderungen stehen. Der Klimaschutz wird das Thema globaler Konferenzen, der Kampf gegen die Erderwärmung muss zeitgleich geführt werden mit dem gegen Armut, Energie-, Rohstoff- und Wassermangel. Die Weltgemeinschaft steht angesichts dieser Zusammenballung vor existenziellen Herausforderungen, bei deren Bewältigung von den Demokratien aufgrund ihrer Effizienz und Sensibilität besondere Beiträge erwartet werden.
Positive Nachrichten nicht überhören
Heute gibt es gute Gründe, Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut zu registrieren. Dank großer Anstrengungen ist es seit der Jahrtausendwende gelungen, die Müttersterblichkeit nahezu zu halbieren. Die Kindersterblichkeit und Todesfälle durch Malaria wurden halbiert, und die äußerste Armut wurde um mehr als Hälfte gesenkt. Der Analphabetismus wurde stark zurückgedrängt, weltweit steigt die Lebenserwartung. Und trotz so blutiger Konflikte wie in Syrien sterben heute im historischen Vergleich weniger Menschen durch Gewalt. Das alles sind positive Nachrichten aus der globalisierten Welt, die Zuversicht erzeugen können. Allerdings sind alle diese Erfolge gegenwärtig durch die weltweite Corona Pandemie weiter relativiert worden.
Schließlich ist an Terrorismus und an militärische Gewalt zu erinnern, die die Welt auch im 21. Jahrhundert zu einem unsicheren Ort machen: Das Gewaltspektrum ist breit. Es reicht von brutaler terroristischer Gewalt wie beim IS über militärische Auseinandersetzungen und Bürgerkriege bis hin zu verdeckten, unerklärten, „asymmetrischen“ Kämpfen wie in der Ostukraine. Außerdem wird es Mischformen von allen Arten der Gewalt geben und terroristische Anschläge in ganz Europa. Das, was die Demokratie im Inneren leistet, nämlich, bei politischen Entscheidungen Gewaltanwendung durch rechtlich verbindliche Regeln zu ersetzen, ist global wahrscheinlich leider noch lange ein unerfüllter Wunsch.
Macht und zeitliche Begrenzung
Nicht nur die Gewaltlosigkeit der Entscheidungsfindung gehört zu den demokratischen Errungenschaften, sondern auch Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz. Und zwar mit der besonderen Festlegung, dass die Mehrheit nur für eine begrenzte Zeitperiode gilt und die Minderheit bei jeder Wahl eine Chance haben muss, zur Mehrheit zu werden. Der 1998 verstorbene Soziologe Niklas Luhmann nennt die Spaltung der Spitze eines ausdifferenzierten politischen Systems die Unterscheidung von Regierung und Opposition. In dieser Beschreibung der politischen Macht sei „die eigentliche Ohnmacht der Mächtigen und die Macht der Ohnmächtigen“ zu erkennen. Die Hoffnung der bei allgemeinen Wahlen Unterlegenen, beim nächsten Mal zum Zug zu kommen und dann zusammen mit anderen oder allein die Regierung stellen zu können, ist einer der wichtigsten psychologischen Pfeiler der Stabilität demokratischer Systeme. In einer bundesstaatlich organisierten Demokratie bieten sich (wie jeder beobachten kann) den auf Bundesebene Unterlegenen immer wieder Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten auf Landesebene. Auch das ist ein weiterer Stabilitätsfaktor, der oft zu wenig gewürdigt wird.
Wenn wir deshalb mit einigem Optimismus in die Zukunft unserer Demokratie auch nach der Pandemie blicken können, so ist dies natürlich – und dies vor allem – dem in Deutschland entwickelten Corona-Impfstoff geschuldet. Das mittlerweile weltweit zugelassene Serum kam nach Weihnachten in Deutschland zum Einsatz. Auch wenn es – nicht selten sogar – peinliche Anfangsschwierigkeiten bei Beschaffung und Injektion gab, sind die deutschen Wirtschafsverbände optimistisch, in mittlerer Frist die durch das Virus bedingte Rezession überwinden zu können. Das ist auch eine wichtige Aussage über die Demokratie hierzulande und anderswo.
Demokratie braucht Ökonomie
Denn die Demokratie bedarf einer ökonomischen Fundierung. Der amerikanische Demokratie-Forscher Seymour Martin Lipset hat 1995 die These formuliert, wonach Demokratien nur unter bestimmten sozioökonomischen Funktionserfordernissen aufrechterhalten werden könnten. Je höher das Volkseinkommen, desto stabiler die Demokratie. „Der schlimmste Feind der Demokratie ist eine dysfunktionale Ökonomie als Quelle massiver Armut und sozialer Animositäten.“ Von ähnlicher Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Demokratie als politische Ordnung ist die Überzeugung ihrer Bürger. Nämlich: Dass ihre Bürger- und Menschenrechte dort am besten aufgehoben sind.
Prof. Dr. Wolfgang Bergsdorf (Jahrgang 1941) ist Politikwissenschaftler in Bonn
Teil I.: https://www.rantlos.de/politik/die-demokratischen-saeulen-beginnen-zu-wanken.html
Teil II.: https://www.rantlos.de/lebensart/die-demokratischen-saeulen-geraten-ins-wanken-ii.html
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