Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Das gilt besonders in Kriegen, wo Bilder gleichsam Waffen sind, in der psychologischen Kriegsführung mehr als waffenstarrende Bataillone bewirken können. Im Krieg bleibt bekanntlich die Wahrheit zuerst auf der Strecke. Sagen uns aber die Aufnahmen, was wirklich wahr ist oder erliegen wir raffinierten PR-Strategien, die mittlerweile von allen Akteuren in Konflikten beherrscht werden?

Ob das ikonische Foto von der Schutz vor Raketen suchenden jungen Mutter, die in der Kiewer Metro ihr Baby stillt oder die apokalyptisch anmutenden Bilder von den unvorstellbaren Gräueltaten der terroristischen Hamas in Gaza, solche Aufnahmen brennen sich tief in das Gedächtnis ein. Sie schaffen Emotionen und Empathien, können aber auch verstörend wirken.

Zwischen Information und Inszenierung moderner Kriegsberichterstattung gibt es nur einen schmalen Spalt. Freilich können Bilder auch im Frieden politische Wirkungen auslösen, Karrieren zerstören. Man denke an die Pool-Vergnügungen des ehemaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping, an das unangemessene Lächeln von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet bei der Flutkatastrophe im Ahrtal oder den in sozialen Medien vorgetragenen verstörenden Monolog der Wehrministerin Christine Lambrecht in der Neujahrsnacht vergangenes Jahr.

Bei der Einordnung von Bildern hat seriöser Journalismus eine besondere Verantwortung, zu der auch die Einhaltung ethischer Maßstäbe gehört. So sollten beispielsweise nicht alle Bilder gezeigt werden. Auch Opfer haben ihre Würde. Zudem – zeigen die Bilder denn wirklich den Krieg, sind es nicht vielmehr Abstraktionen, Projektionen und Fiktionen, hinter denen sich das Gesicht des Zivilisationsbruchs verbirgt?

Mit dieser Bilderflut wächst auch die Gefahr der Manipulation, die besondere Kontrolle verlangt. Mit der künstlichen Intelligenz sind künftig Fälschungen in Maßen möglich, die momentan noch unsere Fantasie übersteigen. Was macht angesichts der Länge der Kriege und der allabendlichen Berichterstattung die Bilderflut mit uns? Die Medienwirkungsforschung sagt, dass die Menschen immer müder werden, diesem Thema zu folgen. Eine wirklich gefährliche Entwicklung.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

- ANZEIGE -