Von Wolfgang Bergsdorf

Autor Wolfgang Bergsdorf

Personalien sind für das Publikum normalerweise nur dann interessant, wenn sie Prominente betreffen und solche, die es werden wollen – aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Dass der Wechsel an der Spitze einer Zeitung in diesen Tagen von den Politik- und Feuilleton-Redaktionen anderer Blätter kommentiert und kritisch beleuchtet wird, ist deshalb eher außergewöhnlich. Gemeint ist natürlich der Wechsel von Julian Reichelt zu Johannes Boie in der Führungsetage von Europas auflagenstärkster Gazette, der im Springer-Konzern erscheinenden „Bild“-Zeitung.
Die Namen der beiden Personen braucht sich der politisch interessierte Zeitgenosse eigentlich nicht zu merken. Denn Politik als Gegenstand der Berichterstattung ist für „Bild“ kein besonderes Thema; anders als es Vorkommnisse bei Politikern oder in deren Umfeld sind, mit denen sich Emotionen und Empörung wecken lassen. Dabei verwundert einen früher professionellen und später gelegentlichen „Bild“-Leser der in den vergangenen Jahren zunehmend krawallige und spalterische Ton. Die für Boulevard-Blätter eigentlich charakteristischen Schmuddelgeschichten rückten immer mehr in den Hintergrund. An deren Stelle bot das gedruckte redaktionelle Polit-Theater Stücke von Chaos, Angst, Wut und Hass – gerade so, als wären AfD-Wähler oder so genannte Querdenker die Hauptzielgruppe der „Bild“-Leserschaft.

Dieser Eindruck verstärkte sich in der Corona-Krise noch einmal und hat seriöse Wissenschaftler – wie zum Beispiel den Virologen Professor Drosten und zahlreiche seiner Kollegen – zum Opfer geradezu maßloser Angriffe werden lassen. Dass Wissenschaft, vor allem erfolgreiche Wissenschaft, immer auf Versuch und Irrtum beruht und sich jedes Forschungsergebnis auch immer infrage stellen muss, ist dem „Boulevard“ offensichtlich nicht zu vermitteln.

In der Ära des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) galt das von ihm erfundene Erfolgsrezept: „Zum Regieren brauche ich nur ´Bild´, ´BamS´ und ´Glotze´“. Mittlerweile, freilich, hat dieses Rezept ausgedient. Die „Bild“-Zeitung und die „Bild am Sonntag“ (also „BamS“) haben dramatisch an Auflage verloren, ebenso wie die Fernsehanstalten an Zuschauern. Der Druckumfang von „Bild“ schrumpfte allein im vergangenen Jahrzehnt von mehr als 4 auf 1,2 Millionen Exemplaren. Seit 1998 hat sie sogar 75 Prozent ihrer Leserschaft eingebüßt, ohne allerdings ihre Stellung als größte Zeitung Europas zu verlieren. Denn die Lektüre von Zeitungen hat überall stark abgenommen. Und auch den TV-Sendern erwuchs in den so genannten sozialen Medien ein ernstzunehmender Konkurrent, der bei politischen Entscheidungen beachtet werden will und dessen Einfluss auf Wahlen messbar ist.

Dass die „Bild“-Zeitung selbst über den Wechsel an ihrer Spitze nur eine lakonisch dürre Meldung brachte, ist natürlich ein sublimer Betrug am Leser, wenngleich keine Überraschung. Denn die Gründe für den Rausschmiss von Reichelt waren fortgesetzter Machtmissbrauch, Drogenkonsum am Arbeitsplatz, Sex mit Abhängigen, Veruntreuung und Lügen. Also alles Zutaten und Inhaltsstoffe, mit denen sich eine klassische „Bild“-fähige Schmuddelgeschichte zusammenkochen ließe. Tatsächlich aber (und ironischerweise) bedurfte es jetzt des „Spiegel“ und anderer Blätter, um die wenig glamourösen Einzelheiten dieser Story zu erfahren.

Wenn man sich also auch die Namen des geschassten und des neuen „Bild“-Chefredakteurs nicht unbedingt merken muss, so sollte man sich den Namen Matthias Döpfner dagegen schon einprägen. Der Chef des Springer-Konzerns versteht sich schließlich als geistiger Erbe des Verlagsgründers Axel Springer. Dessen Witwe, Friede Springer, hat den Musikwissenschaftler und einstigen, brillanten,  -kritiker deshalb auch zum finanziellen Erben bestimmt. „Springer“ gehört heute mit 35,6 Prozent der Anteile dem amerikanischen Finanzinvestor KKR (Kohlberg, Kravis, Roberts & Co), mit 12,9 Prozent dem kanadischen Pensionsfonds CCPiB und mit 22,5 Prozent Friede Springer. Sie hat allerdings ihre Stimmrechte Döpfner übertragen, der seinerseits 21,9 Prozent Anteile besitzt.

Diese starke Beteiligung amerikanischer und kanadischer Investoren und die Ambitionen des Hauses Springer, sich noch mehr auf dem US-Medienmarkt zu engagieren, dürften deshalb die Maßstäbe für die Beurteilung der Vorgänge bei „Bild“ noch weiter geschärft haben. Döpfner als Vorstandsvorsitzender von Springer hatte an Reichelt noch festgehalten, als das Blatt die Maßnahmen der Regierungen von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Corona-Seuche mit immer maßloser werdender Kritik überzog. Ausgerechnet aus der „New York Times“ erfuhr die dewutsche Öffentlichkeit dann auch noch von einer Nachricht Döpfners an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Darin behauptet er, Reichelt seit „tatsächlich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat rebelliert'“. Fast alle anderen Journalisten seien zu Propaganda-Assistenten geworden.
Das ist mehr als eine beachtliche intellektuelle Fehlleistung.

Das ist starker Tobak, der auch vom Versuch nicht verblasen wird, diese Aussage als Ironie und Satire darzustellen Denn Döpfner ist ja auch noch Präsident des „Bundesverbands digitaler Publisher und Zeitungsverleger“ (BDZV). Die anderen deutschen Verleger haben sich – kein Wunder! – von dieser pauschalen Diffamierung der bei ihnen tätigen Journalisten distanziert und müssten sich, darüber hinaus, jetzt eigentlich mit der Frage beschäftigen, ob sich ihr Hamburger Kollege nicht selbst so sehr ins Abseits gestellt hat, dass er die deutschen Zeitungsverleger national und international kaum noch repräsentieren kann.

Dass der hoch intelligente Matthias Döpfner sich so im Ausdruck versteigen konnte, die Anti-Corona-Maßnahmen mit der DDR-Diktatur zu vergleichen, verdankt er seinem anscheinend obszessiven Hass auf die noch amtierende Kanzlerin Angela Merkel. Diese hatte nämlich 2007 dem damaligen Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) Rückendeckung gegeben, als der den Mindestlohn für Briefzusteller durchsetzte. Vorausgegangen war eine heftige Kampagne gegen den Mindestlohn in der „Bild“-Zeitung, denn Springer wollte seinerzeit den Postzusteller PIN kaufen. Döpfner war im Blick auf Merkel immer davon überzeugt: Diese Frau kommt aus dem Sozialismus und wird uns in den Sozialismus führen.

Man kann sich eigentlich nur verwundert die Augen reiben angesichts derartiger Urteile bei einem Milliarden schweren Spitzenmann der Medienindustrie. Man staunt dann allerdings nicht mehr, wenn der Besuch des türkischen Präsidenten beim Bundespräsidenten in der „Bild“-Zeitunjg mit „Staatsbesuch der Schande“ charakterisiert wird. Oder über einen „höchstrichterlichen Kniefall vor den öffentlich-rechtlichen Sendern“ gewettert wird, wenn das Bundesverfassungsgericht über die Höhe der Rundfunkgebühren befinden muss. Für Matthias Döpfner ist das „gebührenfinanzierte Staatspresse“. Das hat allerdings das neue „Bild“-Fernsehen keineswegs davon abgehalten, am Abend der jüngsten Bundestagswahl die „Elefanten“-Runde abzukupfern.

Natürlich kann ein jeder Bürger lesen was er will. Dennoch muss die Lektüre von „Bild“ mit Warnhinweisen versehen werden. Denn: Die Merkel-Corona-Diktatur denkt Tag und Nacht darüber nach, wie sie uns alle immer stärker quälen kann. Darüber hinaus belügen uns ARD, ZDF und die großen Tageszeitungen systematisch, indem sie zum Beispiel das Islam-Problem in Deutschland unter der Decke halten. Die Meinungsfreiheit ist hierzulande faktisch abgeschafft – nur noch „Bild“ bietet ihr ein Reservat. Hier muss allerdings ein zweiter – noch deutlicherer – Warnhinweis folgen: Das ist natürlich ironisch gemeint, ist Satire allerhöchsten Grades. Aber das Lachen bleibt einem dabei schon mal im Hals stecken

In früheren Zeiten konnte man dank „Bild“ auch schon mal herzhaft lachen. Wenn sie etwa einen Kanzler (Helmut Schmidt) von den Lesern in Öl malen ließ oder das Foto eines Regierungschefs (Helmut Kohl) aus Protest gegen dessen Politik quer legte. Heute bietet das Blatt seinen Lesern hingegen nicht mehr viel zu lachen an. Selbst die Witze verlieren ihren Witz durch halbjährige Wiederholung.
 

Prof. Dr. Wolfgang Bergsdorf (Jg. 1941) ist Politikwissenschaftler mit profunden Kenntnissen vom wirklichen Politikgeschehen. Er war Büroleiter des damaligen CDU-Chefs Helmut Kohl, später nacheinander Chef der Inlandsabteilung des Bundespresseamts und der Kultur-Abteilung im Bundesinnenministerium. Von 2000 bis 2007 war Bergsdorf Präsident der Universität Erfurt.

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