Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

 Wie sehr die Welt in der Globalisierung zu einem im Dauerzustand erregten Dorf geworden ist, zeigt der Sturz des brutalen Diktators Baschar al-Assad, der in dreizehn Jahren Bürgerkrieg in Syrien sogar Chemiewaffen gegen das eigene Volk eingesetzt hat. Im Bewusstsein der Menschen hierzulande ist damit die eigene Regierungskrise, die mit der Vertrauensabstimmung über Bundeskanzler Scholz am 16. Dezember ihren Höhepunkt erreicht, ins Hintertreffen geraten. Die Diskussion über Migration befeuert zudem den bereits angefangenen Bundestagswahlkampf, alle syrischen Asylanträge wurden inzwischen ausgesetzt.

Es ist schön, freiheitsliebende Syrer auch auf deutschen Straßen jubeln zu sehen. Ob das machtpolitisch zerklüftete Land freilich Freiheit und Frieden erleben oder wie – wie etwa Afghanistan – zu einer islamistischen Hölle verkommen wird, ist völlig offen. Deutsche Politiker sollten sich mit Rezepten zurückhalten.

Die deutsche Außenpolitik sollte aus den Fehlern der Vergangenheit in Nahost lernen. Man denke an die positiven Begrüßungen der Islamischen Revolution 1979 im Iran, an die naiven Bewertungen des ehemaligen Außenministers Guido Westerwelle, der im arabischen Frühling eine Zeitenwende sah, für die Demokratiebewegungen viel Steuergeld ausgab und sich 2011 auf dem Tahrir- Platz in Kairo mit einer Rede zur Demokratie wie ein Popstar feiern ließ.

Blauäugig waren in der Ära Merkel auch Vorschläge, zur Bewältigung der Afghanistan-Krise mit „gemäßigten Taliban“ zu reden. Die Mahnungen, mit der Öffnung der Grenzen würden auch Terroristen ins Land gelassen, wurden geflissentlich überhört.

Auch wenn man die gute Stimmung vorweihnachtlicher Friedens-Propheten stört, die Rebellenorganisation HTS in Syrien ist Nachfolger der Al Nusra-Front, also der al-Qaida. Ihr Anführer Abu Muhammad Al- Dscholani ist ein gesuchter Top-Terrorist, dessen moderate Aussagen zur Machtübernahme hoffentlich Wirklichkeit werden. Allerdings verhalten sich Pluralismus und Islamismus wie Feuer und Wasser.

Nun gibt der in Syrien mitgescheiterte Kriegsherr Wladimir Putin seinem Ex-Verbündeten Assad wie schon vor Jahren dem flüchtigen ukrainischen Vasallen  Janukowitsch das Gnadenbrot. Assad soll schon vor Jahren für 40 Millionen Euro Immobilien in Russland erworben haben.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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