“Augenhöhe” reicht Söder
Weirichs Klare Kante
Personalpolitik findet immer die größte Aufmerksamkeit im Publikum. Bevor zur Entscheidung der Unionsparteien um die Kanzlerkandidatur zu der im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl bei den Bürgern Langeweile aufkommt, versucht die Mediendramaturgie mit einem Spin eine Kontroverse zwischen dem CDU-Chef Friedrich Merz und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder herbeizuschreiben. Ein solches, freilich völlig unrealistisches, Duell hätte natürlich politischen Sex.
Nahrung für solche Spekulationen gibt freilich Söder selbst, wenn er einerseits sagt, das Amt des Regierungschefs in Bayern sei „das schönste überhaupt“, aber gleichzeitig betont, er würde sich auch vor einer Kanzlerkandidatur nicht drücken, falls er von der CDU gerufen würde. Ja, wenn das Wörtchen wenn nicht wär….
Die CDU denkt nicht daran, Söder zu rufen. Noch ist die destruktive Schlacht bei der vorigen Wahl mit Armin Laschet, den Söder heute „als den schlicht und ergreifend falschen Kandidaten“ bezeichnet, unvergessen. Der narzisstische Franke weiß das genau. Ihm geht es nur darum, bei der Nominierung des Kanzlerkandidaten Augenhöhe zu demonstrieren. Wenn er schon nicht selbst Bewerber für dieses Staatsamt sein kann, will er wenigstens als Königsmacher wahrgenommen werden.
Die Wahrheit ist: An Merz, dessen Sympathiewerte freilich bescheiden sind, führt kein Weg mehr vorbei, auch wenn eher Randfiguren wie der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner einen Wettstreit zwischen drei Politikern zu suggerieren versucht. Die „Krönungsmesse“ für den sowohl Partei als auch Bundestagsfraktion führenden Sauerländer ist für die Zeit unmittelbar nach der Landtagswahl am 22.September in Brandenburg vorgesehen.
Die landespolitischen Entscheidungen in Thüringen und Sachsen werden die Union zwar in schwierige Identitätsdebatten über Brandmauern und Unvereinbarkeitsbeschlüsse bringen. Sie werden Merz – im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer – jedoch nicht den politischen K.o. versetzen. Er wird die Landesparteien an der langen Leine führen und erst eingreifen, wenn der Union ein schwerer Vertrauensverlust drohen sollte. Grundlegend veränderte politische Zeiten verlangen halt nun mal, pragmatisch über alte Schatten zu springen, um Regierungsfähigkeit zu sichern.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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