Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

 In einem die Lachmuskeln strapazierenden Cartoon fragt Meier seinen trägen Nachbarn: “Willst Du nichts mehr arbeiten“? Dessen lakonische Antwort: “Ich bin Lokführer bei der Lufthansa“. Wenn in diesen Tagen Flugpassagiere über abgesagte Verbindungen klagen, die ohnehin nicht pünktliche Bahn erst gar nicht eintrifft oder der öffentliche Nahverkehr stillsteht, ist dies nicht nur ein Eingriff in den Alltag vieler Bürger, es belastet auch die Wirtschaft mit täglich hundert Millionen Euro und behindert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) fleht die Dienstleister um eine Osterruhe an.

Das ansonsten doch höchst regulierungsfreudige Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen das Streikrecht zur Sicherung der Daseinsvorsorge nicht geregelt ist. Die Tarifautonomie wird parteiübergreifend als Herz der sozialen Demokratie angesehen, das Streikrecht ist im Grundgesetz verankert. Streitfragen über die Verhältnismäßigkeit von Ausständen entscheiden letztlich Richter, denen aber zur Beschränkung gesetzliche Planken für ihre Urteile fehlen.

Deutschland hatte über Jahrzehnte, mit Blick auf die Streiktage, eine im internationalen Vergleich niedrige Quote. Kein Wunder, dass alle Bundesregierungen in der Vergangenheit das Streikrecht erst gar nicht anrührten, waren sich die Tarifpartner doch ihrer Verantwortung bewusst.

Angesichts der sich mittlerweile häufenden Streiks wird nun zu Recht zum Schutz der sogenannten „kritischen Infrastruktur“, also beispielsweise des Bahn-und Flugverkehrs, der Energie-und Wasserversorgung, der Krankenhäuser eine Neuregelung des Streikrechts diskutiert. Ein heikles Thema, weil die Gewerkschaften darin sofort einen Angriff auf die Verfassung sehen.

Wenn aber bei Streiks in der kritischen Infrastruktur Vorgaben für die zeitliche Vorankündigung – ein Vorlauf von 48 Stunden ist in der Diskussion – und die Verpflichtung zu Notdiensten angeregt werden, dient das vor allem der Planungssicherheit der inzwischen oft genervten und in ihrer Bewegungsfreiheit behinderten Bürger. Auch das von der Wirtschaftsweisen Veronica Grimm vorgeschlagene obligatorische Schlichtungsverfahren vor solchen Streiks sollte ebenso wie der Schutz von Feiertagen ins politische Blickfeld genommen werden. Denn auch Streiks brauchen Regeln.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

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