Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Seinem Potsdamer Nachbarn, dem „Genossen Bundeskanzler“, zeigt er die kalte Schulter. „Geborgte Prominenz“ als Wahlhilfe lehnt er strikt ab, auf die Unterscheidbarkeit von der Ampel legt er Wert. Der 62 Jahre alte Diplomagraringenieur Dietmar Woidke, seit 2013 Ministerpräsident von Brandenburg, setzt bei der Landtagswahl in seinem Bundesland am Wochenende alles auf eine Karte. Wird seine Partei, die SPD, nicht wieder stärkste Kraft, bliebe sie also hinter der AfD zurück, tritt er als Regierungschef zurück. So verknüpft er sein politisches Schicksal mit dem Abschneiden seiner Partei.

Woidke setzt auf seinen Amtsbonus. Und seine Rechnung könnte aufgehen, auch wenn die sozialdemokratische Regierungspartei in Umfragen zurzeit noch knapp hinter der AfD liegt. Die meisten Brandenburger wünschen sich Woidke weiter an der Spitze ihres Landes, sind mit seiner Amtsführung zufrieden. Selbst sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer von der CDU spricht sich für ihn aus.

Woidke weiß freilich, dass man in seiner Heimat zum erneuten Regieren wahrscheinlich drei Parteien brauchen wird. Die Bestätigung seiner jetzigen Koalition ist höchst unsicher, die Grünen könnten an der Fünf-Prozent-Grenze scheitern.

Ein Fortbestand der Partnerschaft mit der CDU, die mit Jan Redmann in ein aussichtsloses Rennen um das Amt des Ministerpräsidenten geht, ist ohnehin sicher. Gegen eine Koalition mit dem BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) hätte er nichts einzuwenden, sollten die doch beweisen, „dass sie auch regieren können“. Die Gründerin der Bewegung sieht er allerdings  kritisch, unterscheidet er in der Politik doch zwischen „Mundwerkern“ und „Handwerkern“. Wagenknecht sieht er in der ersten, sich selbst in der zweiten Kategorie.

Auch wenn Bundeskanzler Scholz als Wahlredner in Brandenburg unerwünscht ist, könnte ihm ein gutes Wahlergebnis für Woidke und seine Partei nach dem Desaster in Thüringen und Sachsen doch etwas innerparteiliche Entlastung verschaffen. Im Bundestagswahljahr 2025 gibt es als letzte Testwahl am ersten März-Wochenende die Entscheidung über die Hamburger Bürgerschaft, von der sich der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt Rückenwind für den Bund verspricht.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

 

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