Abgebrannte Brandmauer
Weirichs Klare Kante
Für die aus der parlamentarischen Sommerpause zurückgekehrten Abgeordneten liegt bei den Beratungen über den Bundeshaushalt 2025 Blei in der Luft. Der Bundesrechnungshof warnt vor einem erneuten Verfassungsbruch, FDP und Grüne wollen Nachbesserungen, die SPD will sich „nicht länger auf der Nase herumtanzen“ lassen.
CSU-Chef Markus Söder spricht von der „rauchenden Ruine der Ampel“, die Union spürt aber auch den Rauch der abgebrannten „Brandmauer“. Um eine klare Abgrenzung gegenüber der in Teilen rechtsradikalen AfD zu demonstrieren, wurde die Metapher von der Brandmauer zum beschwörenden Fanal.
Mit den Landtagswahlen im Osten und der praktisch zur Volkspartei aufgestiegenen AfD dürfte der ohnehin fragwürdige Begriff zu Grabe getragen werden. Die etablierten Parteien wurden an der Wahlurne belehrt, dass ihre oft hysterische Ausgrenzung dem rechten Rand mehr geholfen als geschadet hat.
Ironischerweise besitzt die AFD für die Brandmauer selbst das Urheberrecht. Erfunden hat sie ihr ehemaliger Vizechef Hans-Olaf Henkel, der sich mit der selbstkritischen Erkenntnis „er habe sich an der Kreation eines Monsters“ beteiligt, von der Partei abwandte. Sein damaliger Parteivorsitzender Bernd Lucke verfiel in die gleiche Diktion.
Bei der CDU wurde diese Begrifflichkeit zum Gemeingut, um jede Kooperation mit der AfD auszuschließen. Die totale Ausgrenzung der AfD, die Verweigerung von ihr nach parlamentarischer Gepflogenheit zustehender Repräsentation, wurde in der Bevölkerung als unfair empfunden. Sie erlaubte es ihr, eine Opfer-und Märtyrer-Rolle zu inszenieren. Gleichzeitig festigte es die Wagenburg-Mentalität der politischen Rechtsaußen.
Geradezu dümmlich war die lange Zeit von etablierten Parteien wie Medien vertretene These, man müsse die Themen der AfD aus der öffentlichen Auseinandersetzung aussparen, um die Partei nicht unnötig interessant zu machen. Das Gegenteil ist eingetreten. Die AfD kann für sich in Anspruch nehmen, die etablierten Parteien zu einem Kurswechsel in der Migration gezwungen zu haben.
Wie also künftig umgehen mit der AfD? Der erfahrene frühere Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat die richtige Antwort gegeben: „Kalt, aber normal“.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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