Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Zusammen mit den Frauen und Männern der Frankfurter Paulskirche, die 1848 eine neue Verfassung schufen und einen demokratischen deutschen Einheitsstaat ins Leben rufen wollten, zusammen mit den niedergewalzten Aufständischen in der DDR-Diktatur vom 17. Juni 1953 und der friedlichen Revolution zur Überwindung der deutschen Teilung haben auch sie die deutsche Freiheitsgeschichte mitgeprägt – die Männer und Frauen des 20. Juli 1944. In diesen Tagen gedenken wir am 80.Jahrestag des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft des gescheiterten Versuchs deutscher Militärs, ihrem Gewissen zu folgen, den Tyrannen Hitler zu töten, und das millionenfache Sterben des Zweiten Weltkrieges zu beenden.

Mit dem 20. Juli 1944 verbindet sich die Geschichte von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der im Führerhauptquartier in Ostpreußen eine Bombe detonieren ließ. Hitler überlebte, die Umsturzpläne gegen das Terror-Regime waren gescheitert, die Operation „Walküre“ misslungen. Stauffenberg wurde noch in derselben Nacht hingerichtet, eine Welle von Verhaftungen und Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof folgten.

Die Deutschen haben durch ihre Erinnerungskultur bei der Aufarbeitung der nationalsozialsozialistischen Schreckensherrschaft weltweit Anerkennung gefunden, die lange negative Bewertung des Widerstandes gegen Hitler bei uns selbst sollte uns aber dennoch mit Scham erfüllen. Noch Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte nur ein Drittel der Deutschen eine gute Meinung von den Verschwörern. In einer noch vom NS-Regime geprägten Gesellschaft haftete der Tat noch das Odium des Verrats an.

Für eine frühe Rehabilitierung sorgte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss 1954 mit einer Ehrenerklärung für die Verschwörer, aber noch 1969 konnte sich die Bundesregierung nicht dazu durchringen, eine landesweite Beflaggung zum 20.Juli anzuordnen, geschweige denn diesen Tag zum Feiertag zu erklären.

Die moralische Bedeutung des versuchten Tyrannenmords rückte durch den Holocaust ins Blickfeld. Einige Verschwörer hatten von der grauenvollen Judenvernichtung erfahren und wollten auch deshalb dem Terror ein Ende setzen.

Heute wirkt Stauffenberg für die Bundeswehr identitätsstiftend. Er hat das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, der Befehle auf Rechtmäßigkeit hinterfragt, geprägt. „Innere Führung“ heißt das.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

- ANZEIGE -